Tallinn-Verschwörung
brauchte er nur noch die entscheidenden Daten, um weiterzukommen.
Torsten stand auf und sah sich suchend in der Wohnung um. Bevor er nach Afghanistan abberufen worden war, hatte er Andrea einige Sachen zur Aufbewahrung übergeben, über die man beim MAD nicht stolpern sollte.
Er fand das Päckchen schließlich tief unten im Kleiderschrank. Andrea hatte es wohl einmal aufgemacht, aber als uninteressant befunden. Es handelte sich neben einigen Aufzeichnungen in einem selbstentworfenen Code um mehrere SD-Karten mit Computerprogrammen, die eine alte Bekannte für ihn entworfen hatte. Er wählte eine davon aus und steckte sie in das Lesegerät. Jetzt konnte er nur hoffen, dass Petra Waitl damals den Mund nicht zu voll genommen hatte.
Als er die Daten einlas und die Enter-Taste drückte, vollführte der Bildschirminhalt einen grotesken Tanz. Zahlen, Bilder und Diagramme wirbelten durcheinander, und zuletzt wurde der Schirm für Minuten schwarz, als wäre der Computer abgestürzt. Torsten starrte immer wieder auf die Uhr. Während seiner Ausbildung hatte er zwar gelernt, wie er sich in ein fremdes Computersystem einloggen konnte. Dieses Wissen und auch das entsprechende Programm waren jedoch über ein Jahr alt, und er hatte keine Ahnung, ob es inzwischen neue Firewalls und Schutzsysteme gab, die ihm eine lange Nase drehen würden.
Plötzlich flammte der Schirm wieder auf, und er hatte Zugriff auf die streng geheime Datenbank der Firma. Rasch suchte er die gewünschten Schließsysteme aus und kopierte
sie in seinen Arbeitsspeicher. Jetzt musste er nur noch einen Arbeitsschritt vollziehen, dann hielt er eine SD-Karte in der Hand, die, wie er hoffte, mit den Produktionsdaten der Serie von Sicherheitsschlössern samt den zugehörigen Schlüsseln geladen war.
NEUNZEHN
T orsten hätte nun in die Kaserne fahren und dort die Spezialisten in der Werkstatt in Anspruch nehmen können. Aber dann wären ihm etliche Fragen gestellt worden. Daher fuhr er mit der U-Bahn Richtung Innenstadt. Am Ostbahnhof stieg er aus, fuhr mit der Rolltreppe zum Orleansplatz hoch und schlug den Weg in die Weißenburger Straße ein. Nach einer Weile bog er in eine Seitenstraße ein und stand kurz darauf vor einer halbkreisförmigen Toreinfahrt, die durch ein eisernes Gitter versperrt wurde. Torsten überflog das Klingelschild für das Rückgebäude und atmete auf, als er den erhofften Namen fand.
Er drückte und hörte ein schnarrendes Geräusch. Er stieß das Gitter auf, ging über den Hof und erreichte nach wenigen Schritten ein Haus, das noch aus dem vorletzten Jahrhundert stammte. Die Tür war nur angelehnt, da die Leute hier nicht zweimal den Türöffner bedienen wollten. Torstens Weg führte ihn nach unten in einen Kellerraum, den Petra Waitl zur Werkstatt ausgebaut hatte. Auf sein Klopfen hin öffnete ihm eine kleine, mollige Frau knapp über dreißig, der das dunkle Haar auf der Kopfhaut klebte.
»Hi, Torsten, lässt du dich auch mal wieder blicken? Ich dachte schon, die Taliban hätten dich zu deinem eigenen Leichenschmaus eingeladen.«
Petras Witze waren in dem vergangenen Jahr auch nicht
besser geworden, dachte Torsten und reichte ihr die Hand. »Na, Petra, wie geht es dir? Hast du deine Supermaschine, von der du die ganze Zeit geschwärmt hast, inzwischen zusammengebaut? «
»Bis zur Serienreife«, antwortete Petra Waitl stolz. »Das Patent ist bereits angemeldet, und wie es aussieht, werde ich es auch bald verkaufen können. Dann hättest du mich hier nicht mehr angetroffen.«
»Wo wärst du dann hin? An den Starnberger See, wo die Millionarios wohnen?«
Petra winkte verächtlich ab. »Die sind doch kein Umgang für ein Genie wie mich. Ich werde mir in Franken einen Bungalow mit einer hübschen kleinen Werkstatt bauen lassen. Mein Gehirn muss beschäftigt bleiben.«
»Vielleicht könntest du es einmal damit beschäftigen.« Torsten zog die SD-Karte mit den Daten aus Holland aus der Tasche und drückte sie Petra in die Hand.
Diese sah ihn mit zusammengezogenen Brauen an. »Es handelt sich aber nicht um eine krumme Sache? Ich meine, weil du damit zu mir kommst und dich nicht an deine eigenen Leute wendest.«
»Ich weiß nicht, ob du es schon gehört hast, aber Andrea ist tot. Laut Kripo war es Selbstmord, doch ich glaube nicht daran. Ich bin auf der Spur der Leute, die ihre Mörder sein könnten.« In Torstens Stimme schwang Trauer um seine Freundin, aber auch der Wille, die Umstände ihres Todes lückenlos aufzuklären.
Petra
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