Taltos
reingelegt. Er ist auf 41
gewisse Informationen gestoßen, aus denen hervorging, daß er hier Schutz erwarten könne. Diese Informationen sind nicht korrekt.«
»Verstehe.«
Erneut machte die Treppe eine Drehung. »Wie hoch werden wir noch gehen, Lord Morrolan?«
»Nicht mehr weit, glaube ich. Werdet Ihr müde?«
»Ein bißchen. Aber stört Euch nicht daran.« Er hatte gesagt ›glaube ich‹. Darüber grübelte ich nach und fragte: »Und, besucht Ihr diesen Ort häufiger?«
»Oh, ja«, gab er zurück. »Sethra und ich, wir treffen uns oft.«
Das stellte mich vor ein nettes Rätsel, mit dem ich mich für weitere ein oder zwei Windungen dieser endlosen Treppe beschäftigen konnte. Wieso war er sich bei der Länge der Treppe unsicher, wenn er häufig im Dzurberg war? Offensichtlich, weil er für gewöhnlich nicht diesen Weg nahm. Links tauchte eine schwere hölzerne Tür auf, aber wir hielten nicht an. Wieso nahm er jetzt diesen Weg? Um mich mürbe zu machen oder mich abzuschätzen oder beides.
Diese Erkenntnis, die mich eigentlich wachsamer hätte machen müssen, brachte mich jedoch nur noch mehr gegen ihn auf. Allerdings gelang es mir mit einiger Anstrengung, meinen Tonfall gleichgültig zu halten, als ich auf ein früheres Gesprächsthema zurückkam.
»Lord Morrolan, ich glaube, ich verstehe, warum Ihr wissen konntet, daß Quion mit dem Gold zum Dzurberg kommen würde.«
»Das freut mich für Euch.«
»Was ich aber nicht verstehe ist, wie Ihr wissen konntet, daß er das Geld überhaupt an sich bringen würde.«
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»Oh, das war ganz leicht. Seht Ihr, ich bin so etwas wie ein Hexenmeister. So wie Ihr, glaube ich.«
»Stimmt«, entgegnete ich.
»Tja, dann wißt Ihr ja, daß es durch Hexerei möglich ist, jemandem einen Einfall in den Kopf zu setzen. Wir ließen ihn auf die Idee verfallen, daß es eine gute und sichere Sache wäre, und er hat es getan.«
»Du Bastard!« Das platzte so aus mir heraus. Ich habe es sofort bereut, aber es war zu spät.
Morrolan blieb stehen und drehte sich zu mir um.
Seine Hand ruhte locker auf dem Heft seines Schwertes.
Mit ganz und gar nicht liebenswürdigem
Gesichtsausdruck sah er auf mich herab. »Wie meinen, bitte?«
Ich sah ihm ohne zu antworten in die Augen. Meine Schultern lockerten sich, und in Gedanken ertastete ich die nächstliegende Waffe, ein Stilett mit einer Zehn-Zentimeter-Klinge, das in meinem linken Ärmel steckte und darauf wartete, mit rechts gezogen zu werden. Am besten, ich würde auf seine Kehle losgehen. Falls ich zuerst zog, schätzte ich meine Chancen, ihn zu töten, einigermaßen gut ein.
Auf der anderen Seite nahm ich an, daß er, so wie er stand – die nicht vorhandene Anspannung in seinem Nacken, seinen Schultern und Armen, sowie die
ausgewogene Haltung –, sehr gute Aussichten hatte, mir einen Stich zu verpassen, während ich ihn erledigte. Und bei einer Morgantiklinge wäre das bereits genug.
»Laßt es mich so ausdrücken«, sagte ich. »Solltet Ihr noch einmal mit einem meiner Leute Spielchen treiben, dann schneide ich Euch das Herz raus.« Dann atmete ich ruhig ein und aus und beobachtete ihn.
»Ist das so«, sagte er, mehr als Feststellung denn als 43
Frage. Ein höhnischer Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus, und ohne ein Anzeichen trat er einen Schritt zurück, eine Stufe nach oben. Verdammt, der war schnell! Noch hatte er seine Klinge nicht gezogen, aber jetzt würde ich schon versuchen müssen, entweder mein Rapier zu ziehen oder das Messer zu werfen. Jemanden mit einem Wurfmesser zu töten ist, selbst wenn man so gut ist wie ich, eher eine Frage von Zufall als von Können.
Ich sagte nichts und wartete, ob er blankziehen würde.
Er wartete ebenfalls. Mit leicht gebeugten Knien, in perfekter Balance, den linken Fuß auf der höheren Stufe, die rechte Hand am Heft dieser Waffe. Am linken Handgelenk konnte ich den kühlen Griff meines Dolches spüren, und ich beschloß, daß er meine einzige Chance wäre. Möglicherweise hatte ich mein Rapier sogar zu Hause liegengelassen; er war schneller als ich. Ich wartete weiter.
Am Ende schmunzelte er und deutete eine Verneigung an. »Nun denn, Mylord Jhereg, wir werden diese
Angelegenheit später erledigen.« Er präsentierte mir seinen Rücken und stieg weiter die Treppe hinauf. Der Gedanke, ihn abzustechen, kam und ging wieder. Selbst wenn ich damit durchkäme, wäre ich immer noch im Dzurberg, alleine, abgesehen von einer äußerst zornigen Sethra Lavode, die mich
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