Taltos
über die Kräuter, die ein Hexer selbst anbauen sollte, anstatt sie zu kaufen, welches Räucherwerk für welche
Beschwörungen zu verwenden ist, warum man
sichergehen muß, daß bei einem Hexenspruch keine Spiegel oder reflektierenden Gegenstände in der Nähe sein dürfen, wie man sich die Arbeit leichtmacht, Krämpfe und Kopfweh heilt, Infektionen vorbeugt, wo man Bücher mit Hexensprüchen findet und außerdem noch, wie man nützliche Magie in etwa von reinem Blödsinn unterscheiden kann.
Als Großvater den Laden geschlossen hatte, sagte er:
»Komm mit nach hinten, Vladimir. Setz dich.« Ich ging in seinen Wohnbereich und setzte mich auf einen großen, bequemen Sessel. Er holte sich einen anderen und setzte sich mir gegenüber. Ambrus, sein Kater, sprang ihm auf die Schulter, und ich konnte ihn schnurren hören.
»Sieh mich an, Vladimir.« Das tat ich, voller
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Verwunderung. Dann sagte er: »Laß dich jetzt in den Sessel sinken. Stell dir vor, du wirst ganz schwer, ja?
Fühle, wie du schwer wirst und jetzt mit dem Sessel eins wirst. Kannst du das? Jetzt sieh mir ins Gesicht, Vladimir. Denk an mich. Schließ die Augen. Versuch, mich weiter zu sehen, obwohl deine Augen nicht offen sind. Kannst du das? Kannst du jetzt die Wärme fühlen?
Sprich noch nicht. Fühle, wie du im Wasser treibst und wie warm du bist. Denk an meine Stimme, merkst du, wie sie deinen Kopf anfüllt? Hör zu, wie meine Stimme in deinem Kopf widerhallt. Hör auf nichts sonst. Meine Stimme ist alles, alles was du weißt. Und jetzt sage mir: Wie alt bist du?«
Das verwirrte mich ein wenig; ich meine, hat er gedacht, ich wäre eingeschlafen oder was? Ich versuchte eine Antwort, und die Anstrengung, die das kostete, überraschte mich. Aber schließlich sagte ich: »Zehn«, und meine Augen öffneten sich schlagartig. Mein Großvater lächelte. Er hat nichts gesagt, denn das brauchte er gar nicht. Genau als ich gesprochen hatte, war mir klargeworden, daß das Wort ›Zehn‹ seit einiger Zeit das erste wirklich laut ausgesprochene Wort in diesem Raum gewesen war.
So vorsichtig ich konnte, stieg ich über die Leiche, denn es wäre sehr peinlich gewesen, wenn ich gestolpert wäre.
Die Dunkle Lady vom Dzurberg wies mir einen Sessel an. Ich setzte mich in einen anderen, aber nur zum Teil aus Eigensinn – der, den ich mir ausgesucht hatte, war nicht so weich, folglich konnte man im Notfall schneller aufstehen. Falls es noch nicht aufgefallen ist, ich hatte irgendwie, naja, Schiß.
Und hier ist noch etwas, das mich überrascht hat: Ich 48
hatte wegen Quion ein schlechtes Gewissen. Klar, ich hatte vorgehabt, ihn zu töten, sobald ich ihn in den Fingern hatte, aber jetzt, wo er so tot dalag, ich weiß nicht… Ich erinnerte mich, wie er gewesen ist, als er mich gebeten hat, ihn für mich arbeiten zu lassen, und wie er mit dem Spielen aufgehört hatte und so weiter, und irgendwie schien es gar nicht mehr so bedeutend, daß er mir in den Rücken gefallen und mit dem Geld
abgehauen war. Ich vermute, die Tatsache, daß Morrolan ihn dazu angestiftet hat, trug einiges dazu bei.
Aber ja, ich hatte Schiß; außerdem war ich so wild wie ein Dzur im Netz einer Chreotha.
Der Lord Morrolan saß mir gegenüber und knetete Kiefer und Kinn. Wenn ich das mache, heißt das, ich bin nervös. Irgend etwas ließ mich annehmen, daß es bei Morrolan anders war, aber genau konnte ich es auch nicht sagen. Ein Diener, schwarz gekleidet mit einem
Dragonkopf auf der linken Brust, kam herein. Was für ein Mann würde wohl Sethra Lavode bedienen, fragte ich mich. Aus seinen runden Augen und dem vollen Gesicht hätte ich geschlossen, daß er ein Tsalmoth ist. Er lief mit gesenktem Kopf umher, und seine Blicke schielten unter Haarbüscheln hervor, die aus seinen Brauen sprossen.
Anscheinend war er alt. Unablässig schoß ihm die Zunge aus dem Mund, und ich überlegte, ob sein Gehirn noch richtig funktionierte. Seine Hüfte war unmerklich schief, deshalb schlurfte er mehr, als daß er ging.
Er überreichte uns Aperitifgläser, die zur Hälfte mit einer ahornfarbigen Flüssigkeit gefüllt waren. Irgendwie gelang es ihm, scheinbar ohne sie wahrzunehmen, über die Leiche zu steigen. Zuerst bediente er mich, dann Morrolan, dann Sethra. Seine Hände waren weißgefleckt und zitterten vor Alter. Als er fertig war, stellte er sich, das Tablett noch immer in der Hand, links hinter Sethra, 49
und seine Blicke zuckten rastlos durch den Raum. Seine Schultern sahen aus, als
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