Taltos
Wesen vor, mit denen ich reden konnte, eher als manche anderen hier.
In dem Augenblick nahmen sie uns zur Kenntnis.
Morrolan verneigte sich, aber nicht so tief wie vor Baritt. Ich kümmerte mich gar nicht erst darum; ich verneigte mich einfach, und zwar sehr tief. Verra sah von 202
einem zum anderen, dann zu Barlan hinüber.
Anscheinend lächelte sie. Bei ihm wußte ich es nicht.
Dann blickte sie wieder auf uns. Als sie sprach, klang ihre Stimme tief und voll und äußerst seltsam. Als würden ihre Worte in meinen Gedanken widerhallen, nur lag zwischen dem Hören mit den Gedanken und dem mit den Ohren kein Abstand. Daraus ergab sich eine
unnatürlich stechende Klarheit bei allem, was sie sagte.
Das war so merkwürdig, daß ich abschalten und mich an ihre Worte erinnern mußte, die da lauteten: »Was für eine Überraschung.«
Barlan schwieg. Verra drehte sich zu ihm, dann wieder zu uns. »Wie sind eure Namen?«
Morrolan antwortete: »Ich bin Morrolan e’Drien, Herzog des Hauses der Dragon.«
Ich schluckte und sagte dann: »Vladimir Taltos, Baronet des Hauses der Jhereg.«
»Soso«, meinte Verra. Ihr Lächeln war merkwürdig und verzogen und voller Ironie. Dann sagte sie: »Mir will scheinen, daß ihr beide lebendig seid.«
»Wie kommt Ihr denn da drauf?«
Das Lächeln wurde etwas breiter. »Wenn man so lange in diesem Geschäft ist wie ich –«
Da sprach Barlan: »Eure Mission.«
»Wir sind gekommen, um ein Leben zu erbitten.«
Verra zog die Brauen in die Höhe. »Tatsächlich?
Wessen?«
»Das meiner Cousine«, erwiderte Morrolan und wies auf den Stab.
Barlan streckte die Hand aus, und Morrolan trat vor und überreichte den Stab. Dann trat er wieder zurück.
»Dir muß sehr viel an ihr liegen«, sagte Verra, »denn 203
durch dein Auftauchen hier hast du die Möglichkeit einer Rückkehr vertan.«
Ich mußte wieder schlucken. Verra hat das, glaube ich, bemerkt, weil sie mich anblickte und sprach: »In deinem Fall ist das nicht ganz so eindeutig, weil Ostländer hier eigentlich gar nicht hergehören.«
Ich biß mir auf die Zähne und sparte mir einen
Kommentar.
Verra wandte sich wieder an Morrolan: »Nun?«
»Ja?«
»Ist sie dein Leben wert?«
Morrolan erwiderte: »Es ist notwendig. Ihr Name ist Aliera e’Kieron, und sie ist die Thronerbin der Dragon.«
Verra warf den Kopf zurück und starrte Morrolan direkt ins Gesicht. Irgendwie hat es was Beängstigendes, wenn ein Gott geschockt ist.
Nach einer kurzen Pause sagte Verra: »Man hat sie also gefunden.« Morrolan nickte. Verra deutete auf mich.
»Und da kommt der Ostländer ins Spiel?«
»Er war an ihrer Bergung beteiligt.«
»Verstehe.«
»Nun, wo sie gefunden ist, bitten wir darum, daß man ihr gestatte, ihr Leben wieder fortzuführen, und zwar an jenem Punkt, wo –«
»Erspare mir die Einzelheiten!« unterbrach Verra.
Morrolan verstummte.
Darauf sagte Barlan: »Was du verlangst, ist
unmöglich.«
»Ist es das?« fragte Verra.
»Es ist außerdem verboten«, fuhr Barlan fort.
»Schlimme Sache«, meinte Verra.
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Und Barlan: »Unsere Position hier legt uns gewisse Verantwortungen auf. Eine davon ist die
Aufrechterhaltung der –«
»Erspare mir die Aufzählung«, unterbrach Verra. »Du weißt doch, wer Aliera ist.«
»Wenn sie von ausreichender Bedeutung ist, können wir unter Umständen zusammenkommen und –«
»Und dann wird der Ostländer zu lange hier gewesen sein, um zurückzukehren. Und sein kleiner Jhereg ebenfalls.« In jenem Moment bin ich gar nicht darauf eingegangen, weil mich das Schauspiel zweier streitender Götter in seinen Bann gezogen hatte. Aber ich habe es wahrgenommen, wie auch die Tatsache, daß Verra
Loioshs Anwesenheit bemerkt hat, obwohl mein
Vertrauter unter meinem Umhang verborgen war.
Barlan sagte: »Das kümmert uns nicht.«
Verra sagte: »Eine Zusammenkunft ist außerdem so langweilig.«
»Du würdest also unsere Verpflichtungen brechen, nur um Langeweile zu vermeiden?«
»Darauf kannst du dich verdammt nochmal verlassen, Staubwedel.«
Barlan stand auf. Verra stand auf. Eine Weile starrten sie sich voll Verachtung an, dann verschwanden sie in einem goldenen Funkenregen.
Es ist nicht nur bekannt, daß Dragaeraner nie kochen gelernt haben; außerdem ist es Tatsache, und wesentlich überraschender, daß die meisten es sogar zugeben.
Deshalb sind Schenken von Ostländern so beliebt, und die beste heißt Bei Valabar .
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Valabar und Söhne gibt es schon seit unendlich langer Zeit.
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