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Taltos

Taltos

Titel: Taltos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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immer verzerrt, als wäre die ganze Umgebung in einem unmöglichen Winkel verdreht worden, und nur Verra war so deutlich wie vorher zu sehen.
    Danach beruhigte sich alles, und ich sah etwas, das anscheinend der Körper einer Dragaeranerin im Schwarz 208
    und Silber des Hauses der Dragon war und neben dem Brunnen ausgestreckt lag. Mir fiel sofort ihr blondes Haar auf, was für eine Dragonlady noch ungewöhnlicher ist als für einen Menschen. Sie hatte ganz dünne Augenbrauen, und ihre geschlossenen Augen wirkten recht anziehend. Ich glaube, ein Dragaeraner hätte sie äußerst attraktiv gefunden. Verra tauchte die Hände abermals ein und ließ ein bißchen Wasser in den Mund jener Frau fließen, die ich für Aliera hielt.
    Dann lächelte sie uns an und ging fort.
    Aliera fing zu atmen an.
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    Als mein Großvater mir das Fechten beibrachte, ließ er mich manchmal minutenlang stillstehen und nur die Bewegungen seiner Klinge beobachten, bis ich eine Lücke in der Verteidigung erkannte. Ich vermute, er hat ganz genau gewußt, das er mich damit noch mehr als Fechten lehrte. Als der Augenblick kam, war ich bereit.

    Ihre Lider flatterten, als die Augen sich öffneten, aber noch konnte sie nichts genau erkennen. Ich fand, daß sie lebendig besser aussah als tot. Erst standen Morrolan und ich nur da, dann sagte er sanft: »Aliera?«
    Ihr Blick schoß zu ihm hinüber. Es dauerte einen Moment, bis ihr Gesicht reagierte; dann wirkte sie verblüfft. Sie wollte sprechen, konnte nicht, räusperte sich und krächzte: »Wer ist da?«
    »Ich bin dein Cousin. Mein Name ist Morrolan
    e’Drien. Ich bin der älteste Sohn der jüngsten Schwester deines Vaters.«
    »Morrolan«, wiederholte sie. »Ja. Das wäre ein
    passender Name.« Sie nickte, als hätte er eine Prüfung bestanden. Ich studierte Morrolans Gesicht, doch er blieb anscheinend völlig ausdruckslos. Aliera wollte sich aufsetzen, schaffte es nicht, und ihr Blick fiel auf mich und verdüsterte sich. Sie wandte sich an Morrolan: »Hilf mir.«
    Er stützte sie beim Aufsetzen. Sie sah sich um. »Wo bin ich?«
    »In den Hallen des Jüngsten Gerichts«, erwiderte Morrolan.
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    Überraschung. »Bin ich tot?«
    »Nicht mehr.«
    »Aber –«
    »Ich werde es dir erklären«, sagte Morrolan.
    »Bitte«, sagte Aliera.
    »Die beiden müssen verwandt sein«, meinte ich zu Loiosh. Der mußte kichern.
    »Was ist das letzte, an das du dich erinnern kannst?«
    Sie zuckte die Achseln, fast genauso wie Morrolan, mit einer Schulter und so einer Art Kopfnicken. »Schwer zu sagen.« Sie schloß die Augen. Wir sagten nichts.
    Etwas später sprach sie wieder: »Da war ein
    merkwürdiger Heulton, den ich fast nicht mehr hören konnte. Dann hat die Erde geschwankt, und die Wände und die Decke sind in sich zusammengestürzt. Und es wurde unheimlich heiß. Ich wollte mich von da
    wegteleportieren, und ich weiß noch, wie ich gedacht habe, daß ich es nicht rechtzeitig schaffe, und dann habe ich Sethras Gesicht gesehen.« Sie hielt inne und sah Morrolan an. »Sethra Lavode. Kennst du sie?«
    »Kann man sagen«, meinte Morrolan.
    Aliera nickte. »Ich sah ihr Gesicht, dann bin ich durch einen Tunnel gerannt – ich glaube, das war ein Traum.
    Aber er hat lange gedauert. Schließlich habe ich zu rennen aufgehört und auf einer Art weißem Fliesenboden gelegen, und ich konnte mich nicht bewegen und wollte es auch gar nicht. Ich weiß nicht, wie lange ich dort gewesen bin. Dann rief jemand meinen Namen – damals habe ich geglaubt, meine Mutter. Dann bin ich
    aufgewacht, und ich habe eine komische Stimme gehört, die nach mir rief. Ich glaube, das warst du, Morrolan, weil ich dann die Augen aufgemacht und dich gesehen habe.«
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    Morrolan nickte. »Du hast geschlafen – das heißt, du warst tot, und zwar, naja, ein paar hundert Jahre lang.«
    Aliera nickte, und ich sah eine Träne in ihren Augen.
    Ganz leise fragte sie: »Es ist die Regierungszeit eines wiedergeborenen Phönix, nicht wahr?«
    Morrolan nickte, anscheinend verstand er.
    »Ich hab es ihm gesagt«, meinte sie. »Ein Großer Zyklus – siebzehn Zyklen; es mußte ein wiedergeborener Phönix sein. Er wollte nicht auf mich hören. Er hat geglaubt, der Zyklus wäre zu Ende und daß er einen neuen erschaffen könnte. Er –«
    »Er hat ein Meer aus Chaos geschaffen, Aliera.«
    »Was?«
    Ich beschloß, daß mit »er« Adron gemeint war. In dieser Gegend würde man ihn gewiß nicht antreffen.
    »Vielleicht nicht so ein großes wie das

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