Taltos
Hier in Adrilankha waren sie schon, bevor das Interregnum daraus die Stadt des Imperiums gemacht hat.
Seit hunderten von Jahren von einer einzigen Familie geführt. Einer einzigen Familie von Menschen. Den Chroniken zufolge war es die erste Schenke überhaupt innerhalb des Imperiums; der erste Ort, an dem einzig Speisen serviert werden, anders als Tavernen, die Kleinigkeiten zum Essen haben, oder ein Hotel, in dem man gegen Gebühr logieren kann.
Für diesen Ort muß es eine Art ungeschriebenes
Gesetz geben, das die jeweiligen Machthaber kennen, etwas, das besagt: »Was auch immer wir den Ostländern antun, Valabar wird nicht angetastet.« So gut sind die.
Drinnen ist alles sehr einfach gehalten, weiße
Leinentischtücher und schlichte Möbel, ohne die Dekorationen, die in den meisten Schenken hängen. Die Bedienung ist freundlich und angenehm und sehr
aufmerksam, dabei fast so schwer zu bemerken wie Kragar, wenn sie sich an dich heranschleichen, um Wein nachzuschenken.
Speisekarten gibt es nicht, statt dessen stellt sich der Kellner auf und betet eine Liste dessen herunter, was der Koch, der immer »Valabar« genannt wird, egal wie viele mit diesem Namen gerade dort arbeiten, anzurichten geruht.
Meine Verabredung an jenem Abend, Mara, war die aufregendste Blondine, die ich je gesehen hatte, und sie war äußerst schlagfertig, was mir gut gefiel, solange es nicht auf meine Kosten ging. Kragar hatte eine
dragaeranische Lady dabei, an deren Namen ich mich nicht erinnere, die aber aus dem Haus der Jhereg stammte. Sie war eine der Aufseherinnen eines
nahegelegenen Bordells und hatte ein nettes Lachen.
206
Als Vorspeise des Tages wurden in Anis kristallisierte Winnozeroswürfel angeboten, dann gab es sehr würzige Kartoffelsuppe mit rotem Pfeffer aus dem Ostreich, Limonensorbet, Pastete – aus Gänse-, Hühner- und Kethnaleber, Kräutern und ungesalzener Butter – auf Krustenbrot mit Gurkenscheiben, die nur kurz eingelegt worden waren. Zum Salat gab es ein unerhört delikates Essigdressing, das man fast süß hätte nennen können.
Kragar hatte frische Muscheln in Zitronen-Knoblauch-Sauce, seine Begleitung den größten gefüllten Kohlkopf der Welt, Mara Ente in Pflaumen-Branntwein-Sauce und ich Kethna mit roter Pfeffersauce aus dem Ostreich. Zum Nachtisch nahmen wir Pfannkuchen, ich mit
feingeriebenen Walnüssen und Schokoladen-Branntwein-Creme und Orangen drauf. Außerdem tranken wir eine Flasche Piarraner Dunst, den Fenarianischen
Dessertwein. Ich hab alles bezahlt, weil ich gerade jemanden umgebracht hatte.
Als wir nach dem Essen ein bißchen herumspazierten, kicherten wir ziemlich viel; dann gingen Mara und ich in meine Wohnung, und ich machte die Entdeckung, daß ein Essen bei Valabar eines der besten Aphrodisiaka ist, die man sich vorstellen kann. Was mein Großvater wohl mit dieser Information anstellen würde?
Mara langweilte sich dann mit mir und verließ mich etwa ein Woche darauf, aber wen kümmert’s.
Ich wiederholte: »Staubwedel?«
Loiosh machte: »Puuh.«
»Ich glaube«, schlußfolgerte Morrolan weise, »daß es uns gelungen ist, jemanden in Schwierigkeiten zu bringen.«
207
»Oh ja.«
Morrolan sah sich um, und ich auch. Keines der
anderen Wesen dort schien uns irgendwie zu beachten.
Ein paar Minuten später standen wir noch immer so da, als Verra in einem weiteren Funkenregen wieder
auftauchte. Ihre Augen strahlten. Dann erschien Barlan, dessen Gesicht wie zuvor nicht zu deuten war. Da bemerkte ich, daß Verra den Stab in der Hand hatte.
»Kommt mit mir«, sagte sie.
Sie verließ ihren Thron und führte uns um ihn herum in die Dunkelheit. Sie hat nichts gesagt und Morrolan auch nicht. Und ich würde ganz bestimmt nichts sagen.
Loiosh steckte mal wieder unter meinem Umhang.
Wir kamen an einen Ort mit einer sehr hohen Mauer.
An der liefen wir eine Weile entlang, wobei uns noch ein paar Purpurroben entgegenkamen, bis wir auf einen hohen Bogen stießen. Wir durchschritten ihn, und zwei Korridore zweigten ab. Verra nahm den rechten, und wir folgten ihr. Kurz darauf führte er auf einen Platz, auf dem ein großer, flacher Steinbrunnen stand, aus dem Plätschern erklang.
Verra tauchte die Hände in den Brunnen und trank; dann, ohne Vorwarnung, zerschmetterte sie den Stab an den Steinen.
Das passende Splittergeräusch ertönte, ein Blitz aus reinem weißen Licht blendete mich, und ich glaube, die Erde hat gebebt. Als ich die Augen wieder aufmachen konnte, war der Blick noch
Weitere Kostenlose Bücher