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Taltos

Taltos

Titel: Taltos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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die Pforten vom Schwarzen Schloß aufgetan hatten, hatte Lady Teldra dagestanden, um mich in Empfang zu nehmen. Als die Pforten zu den Hallen des Jüngsten Gerichts sich vor uns öffneten, stand dort ein großer Dragaeraner in den Farben des Hauses der Lyorn – brauner, knöchellanger Rock, Wams und
    Sandalen – mit einem über die Schulter geschwungenen Schwert.
    Er sah mich, und seine Augen verengten sich. Dann schaute er uns beide an, und sie wurden ganz groß. »Ihr seid lebende Männer.«
    »Wie kommst du denn da drauf?«
    »Guter Lyorn«, sprach Morrolan, »wir möchten bei den Herren des Jüngsten Gerichts vorstellig werden.«
    Sein Gesicht zeigte so etwas wie ein Lächeln. »Ja, es sieht ganz danach aus. Nun denn, folgt mir. Ich werde Euch auf der Stelle vorführen.«
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    Leise murmelte ich: »Ich kann’s kaum erwarten.«
    Keiner antwortete.

    Die zwei Wochen nach Kynns Ableben verbrachte ich in der Stadt der Fackeln, wo ich entdeckte, wie sehr man sich vergnügen kann, obwohl man krank vor Sorgen ist; oder, wenn man so will, wie elend man sich fühlen kann, während man auf den Putz haut.
    Dann eines Tages, als ich mich am Strand still und leise betrank, kam ein Diener zu mir und sprach mich an:
    »Lord Mauljahr?« Ich nickte, denn das kam dem Namen, den ich mir zugelegt hatte, recht nahe. Er überreichte mir eine versiegelte Nachricht, für die ich ihn
    verschwenderisch belohnte. In der hieß es: »Komm zurück«, und mein Boß hatte sie unterzeichnet. Ein paar Minuten lang überlegte ich, ob die Nachricht gefälscht war, bis Loiosh mich daraufhinwies, daß jeder, der genug dafür wußte, auch ausreichend informiert war, um jemanden herzuschicken, der mich gleich hier am Strand erledigen konnte. Daraufhin lief es mir kalt den Rücken runter, aber ich war auch überzeugt, daß die Botschaft echt war.
    Am nächsten Morgen teleportierte ich zurück, und niemand sprach über das, was ich für einen elenden Schnitzer hielt. Im Laufe der nächsten Monate fand ich heraus, daß es gar nicht so schlimm gewesen war.
    Eigentlich war es so ziemlich üblich, den Attentäter aus der Stadt zu schaffen, nachdem er jemanden ins Jenseits befördert hat, besonders während eines Krieges.
    Außerdem habe ich erfahren, daß ein Aufenthalt in der Stadt der Fackeln genau dem Klischee entsprach; ab und zu nannte man den Ort sogar die Mörderstadt. Ich bin nie wieder dorthin gegangen.
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    Aber eine Sache ist mir sofort aufgefallen, und ich verstehe sie bis heute nicht wirklich. Mein Boß wußte, daß ich den Kerl umgelegt hatte, und Kragar hat es sicher geahnt, aber ich glaube kaum, daß es sonst jemand vermutet hat. Nur, warum behandelte jeder mich seitdem anders?
    Nicht grundsätzlich, nein, nur die Art und Weise, wie Leute, mit denen ich arbeitete, mich plötzlich ansahen; als wäre ich ein anderer – jemand, der Respekt verdient, jemand, vor dem man sich in acht nehmen muß.
    Nicht, daß ich mich beklage; das ist ein tolles Gefühl.
    Aber damals hat es mich erstaunt und heute immer noch.
    Ich bin nicht dahintergekommen, ob sich Gerüchte breitgemacht hatten oder mein Verhalten sich kaum merklich verändert hatte. Wahrscheinlich von beidem etwas.
    Aber etwas anderes war noch viel seltsamer. Im Laufe der Zeit traf ich andere Eintreiber, die für diesen oder jenen in der merkwürdigen Welt der Jhereg arbeiteten, und hin und wieder konnte ich einem ansehen, daß er
    ›Arbeit‹ erledigt. Woran ich das sehen konnte, weiß ich nicht, und ich kann vermutlich nicht einmal beschwören, daß ich wirklich recht hatte, aber ich spürte es eben. Und in den meisten Fällen sah mich der Kerl dann an und nickte mir vage zu, als hätte auch er etwas an mir erkannt.
    Ich war siebzehn Jahre alt, ein Mensch im
    Dragaeranischen Imperium, und ich hatte in all den Jahren eine Menge Dreck schlucken müssen. Jetzt war ich nicht mehr länger »Ostländer«, auch kein
    Dragaeraner, noch nicht einmal ein Jhereg. Jetzt war ich jemand, der abgeklärt und kühl ein Leben beenden konnte und dann loszog, um das Geld auszugeben, und ich würde nie wieder irgendwelche Beleidigungen 196
    hinnehmen müssen.
    Was ein schönes Gefühl war, solange ich es hatte.

    Beim Durchschreiten der Hallen fragte ich mich, ob dort je über richtige Dragons gerichtet wurde. Ich meine, nicht nur die Türen wären groß genug dafür gewesen, auch die Hallen waren riesig. Jedenfalls machten mich die Größenverhältnisse klein und unbedeutend, was wohl auch der Sinn an der

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