Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
rieb sich die Lider und seufzte. » Sie muss sich letztlich offenbaren und entweder den Thron erobern oder sterben. Wenn sie davor entdeckt wird, dann wird niemand von uns Erius’ Zorn überleben. Umgeben von solchen Gewissheiten, sieht ein Krieger kein Wagnis.«
Iya legte die Hand auf die seine und drückte sie. »Der Lichtträger hat Euch ebenso sehr auserkoren wie Tobin. Dieses Vertrauen wird Euch gerecht. Wie Ihr sagt, müssen wir weiterhin vorsichtig sein. Selbst Illiors Gunst gewährleistet keinen Erfolg.« Sie lehnte sich zurück und musterte das verhärmte Gesicht des Herzogs. »Müssten wir heute kämpfen, wie viele Männer könntet Ihr ins Feld führen? Welche Adeligen würden Euch unterstützen?«
»Tharin natürlich und die Männer seines Anwesens. Nyanis, glaube ich, und Solari. Sie würden zu mir stehen. Auch mein Onkel hegt kein Wohlwollen für den König und besitzt Schiffe. Diejenigen, die ihre Frauen und Mädchen an ihn verloren haben – viele von ihnen könnten willens sein, einer rechtmäßigen Königin den Rücken zu stärken, wenn sie die Aussicht sähen zu gewinnen. Fünftausend, vielleicht mehr. Aber nicht für ein Kind, Iya. Ich glaube nicht, dass sie schon jetzt für Tobin kämpfen würden. Erius ist ein starker König und in vielerlei Hinsicht ein guter, und Plenimar gebart sich immer noch rastlos. Es ist genau wie damals, als seine Mutter starb und Ariani noch so jung war.«
»Nicht ganz. Damals hatten die Menschen eine wahnsinnige Königin. Nun haben sie seit Jahren die Pest, Hungersnöte und Krieg, und es wird von einer Prophezeiung gemunkelt. Es wird ein Zeichen geben, Herr, und wenn es soweit ist, werden die Menschen es erkennen.«
Erschrocken darüber, wie laut ihre Stimme in dem kleinen Raum angeschwollen war und wie heftig ihr Herz plötzlich pochte, verstummte Iya. In Afra hatte sie so viele mögliche Formen der Zukunft gesehen – war darunter das Zeichen, auf das sie wartete?
Sie ging zum Tisch und setzte sich neben Rhius. »Der König behält Euch in seiner Nähe, aber nicht wegen Tobin. Warum also? Was hat sich zwischen Euch und ihm verändert?«
»Ich bin nicht sicher. Du weißt, dass meine Vermählung mit Ariani eine einseitige Liebespaarung war. Ich habe sie geliebt, und ihr Bruder liebte meine Ländereien. Ich vermute, er dachte, ich würde vor ihr sterben und alles ihr und der Krone hinterlassen. Jetzt denke ich, dass er es über Tobin bewerkstelligen will. Erius spricht häufig davon, Tobin an den Hof zu holen, auf dass er sich den Gefährten anschließt.«
»Er ist noch nicht alt genug dafür.«
»Aber er wird es bald sein, und trotz der Geschichten darüber, dass Tobin kränklich und von einem Dämon verwunschen sei, ist Erius von jeher erpicht darauf, dass die Jungen einander kennen lernen. Manchmal glaube ich aufrichtig, dass dies auf die Liebe zu seiner Schwester zurückgeht. Trotzdem, sobald Tobin am Hof ist, wird er wenig mehr als eine Geisel sein.« Mit gerunzelter Stirn blickte Rhius auf die Brosche hinab. »Du hast ja gesehen, wie es hier ist; kannst du mein Kind auch beschützen, wenn es erst im Palast ist?«
»Das werde ich, Herr, mit ganzem Herzen«, beteuerte Iya, die nicht wagte, ihm die plötzlichen Zweifel zu offenbaren, die sie angesichts der Aussicht darauf empfand. Wie bei einer Hand voll noch nicht geworfener Würfel enthielt Tobins Zukunft noch immer alle Möglichkeiten.
K APITEL 28
Die Wochen nach Kis Ankunft gestalteten sich glücklich. Arkoniel erfuhr nie, was Iya während ihres Besuchs in Atyion zu Rhius gesagt hatte, aber kurz danach kehrte er in die Feste zurück und versprach, bis zu Tobins Namenstag im Erasin zu bleiben.
Noch besser war, dass Rhius beinah sein altes Selbst zu sein schien, die Verbesserungen am Haus lobte und Arkoniel abends dazu einlud, mit Tharin und ihm zu spielen. Welche Verstimmung zwischen den beiden Männern auch bestanden haben mochte, sie war verflogen. Die beiden wirkten sich näher als je zuvor.
Auch Ki fand des Herzogs Gefallen, und Rhius lobte Tharins Ausbildung des Jungen, wenn Ki am Tisch diente oder im Schwertkampf oder Bogenschießen gegen Tobin antrat. Als Tobin an seinem zehnten Namenstag in der Halle kniend darum ersuchte, Ki zu seinem Knappen zu machen, erteilte Rhius bereitwillig seine Erlaubnis und gestattete den Jungen, noch am selben Abend im Hausschrein ihr Gelübde an Sakor abzulegen. Als Zeichen für ihre Bande schenkte Tobin Ki eines seiner am besten geschnitzten Pferde als
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