Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
voll Abscheu. »Ja. Niryns Abzeichen.«
Nun lief Iya auf und ab, während sie ihm von ihrem Besuch in der Stadt berichtete und ihre Schilderung mit der Suche abschloss, die sie in ihrem Zimmer in der Herberge vorgenommen hatte. Dabei beschrieb sie den Bann, den die Zauberin nach dem unbekannten Mädchen ausgesandt hatte.
Rhius stimmte verbittertes Gelächter an. »Du bist zu lange fortgewesen. Niryn hat sich dem Orakel zugewandt und behauptet, von einer Thronräuberin zu träumen, die Erius die Krone entreißen will – von einer falschen Königin, aufgezogen durch Totenbeschwörerei. Es hat nicht gereicht, die Unschuldigen königlichen Geblüts abzuschlachten. Jetzt suchen sie nach Zeichen und Wundern.«
»Ich glaube, ihm wurde dieselbe Vision gesandt wie mir, aber er legt sie falsch aus. Oder er möchte sie so auslegen. Und es war tatsächlich nicht genug, die königlichen Mädchen zu meucheln; keine davon war die Ausersehene, weshalb sich der Traum fortsetzt. Zum Glück hat er Tobin noch nicht deutlich gesehen. Ich denke, das haben wir Lhels Magie zu verdanken. Dennoch hat Niryn eine Ahnung davon, was kommen wird, und so werden die Zauberer von Skala nummeriert und gegeneinander aufgewiegelt.«
»Beim Licht! Wenn sie Tobin entdecken, bevor sie alt genug ist, um zu kämpfen, um andere anzuführen …«
»Ich glaube nicht, dass diese Gefahr jetzt schon besteht. Allerdings vermuten sie offenbar magischen Schutz, weshalb sonst hätten sie mein Zimmer nach ihr durchsuchen sollen?«
»Bist du sicher, dass sie dort keinen Hinweis gefunden haben?«
»Dafür konnte ich keine Anzeichen entdecken. Aber früher oder später werden sich die Spitzel des Königs an die Verbindung zwischen Eurer Familie und mir erinnern. Ich hoffe nur, dass Arkoniels Aufenthalt in der Feste keine übermäßige Aufmerksamkeit auf den Haushalt lenkt.«
»Ich habe nichts von ihm erwähnt. Halt ihn von der Stadt fern, damit er nicht nummeriert werden kann.«
»Das habe ich vor. Hat sich Niryn unlängst nach dem Kind erkundigt?«
»Überhaupt nicht. Aber natürlich nehmen die Spürhunde und deren Arbeit seine Aufmerksamkeit ziemlich in Anspruch. Er baut sich eine recht mächtige Schar auf.«
»Wie das?«
Rhius verschränkte die Finger um ein Knie und starrte auf den schwarzen Trauerring an seiner linken Hand hinab. »Es gibt Gerüchte über geheime Treffen, die irgendwo außerhalb der Stadt abgehalten werden.«
»Und Erius sagt dazu nichts? Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur das Gerücht über etwas Derartiges ungeprüft bleibt.«
»Sie dienen ihm, oder zumindest glaubt er das. Trotz aller Vorsicht, wenn es um Nebenbuhler geht, ist Erius wahrhaft blind, wenn es um Niryn und seine Gefolgschaft geht.«
»Oder er wurde blind dafür gemacht. Sagt, wie erscheint Euch der König dieser Tage? Seht Ihr etwas von dem Wahnsinn seiner Mutter in ihm herankeimen?«
»Oberflächlich betrachtet, ähnelt er ihr in keiner Weise. Die Angelegenheit mit den weiblichen Kindern …« Er vollführte eine träge, wegwerfende Geste. »Er ist nicht der Erste, der solch gewissenlose Maßnahmen ergreift, um die Thronfolge zu sichern. Niryn setzt ihm seit Jahren Ängste vor Verrätern und Nebenbuhlern in den Kopf und hat seine Gunst erlangt, indem er Menschen für Hinrichtungen zusammentreibt. Die wahnsinnige Agnalain hatte keine Verwendung für Zauberer; ihr Sohn umgibt sich Tag und Nacht mit einem. Niryn prahlt unverhohlen mit seinen ›Visionen‹, aber tobt gleichzeitig gegen die Anhänger Illiors, gegen Zauberer und gegen jeden, der sich erheben und die Prophezeiung von Afra wieder ausrufen könnte.«
»Wie viele Spürhunde gibt es inzwischen?«
»Vielleicht zwanzig. Viele davon sind noch sehr jung, und er hält sie an der kurzen Leine. Aber es gibt auch andere am Hof, die Macht erkennen, wenn sie ihnen unterkommt, und die ihn unterstützen – Fürst Orun gehört zu ihnen. Sag, Iya, wie viele Zauberer hast du in all den Jahren deiner Wanderschaft für unsere Sache gewonnen?«
Iya hielt sich einen Finger an die Lippen. »Mehr als Niryn, aber überlasst das mir, bis die Zeit reif ist. Außerdem wisst Ihr, dass Zauberer alleine Tobin nicht auf den Thron verhelfen werden. Wir brauchen Armeen. Seid Ihr nach wie vor bereit, das Wagnis einzugehen?«
Rhius’ Antlitz versteinerte zu einer verkniffenen Maske. »Was habe ich denn noch zu verlieren, das mir nicht bereits genommen wurde? Tobin kann nicht ewig versteckt bleiben. Er muss …« Der Herzog
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