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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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dessen zu verstehen, was die Frau flüsterte, und die Worte jagten Feuer und Eis durch ihre Adern.
    Von da an begann Ariani, wieder zu nähen, und sie zwang sich, das Brot und die dünnen Suppen zu essen, die Nari ihr brachte. Für die Aufgabe, die Ariani von der Hexe gestellt worden war, würde sie Kraft brauchen.
     
    Die Vorstellung des Kindes erfolgte zwei Wochen nach der Geburt. Ariani weigerte sich, dem Anlass beizuwohnen, was Nari insgeheim für gut hielt. Zwar kehrte die Kraft der Prinzessin nach und nach zurück, doch sie gebarte sich immer noch zu merkwürdig für Gesellschaft. Sie wollte sich nicht anziehen und sprach selten ein Wort. Ihr leuchtend schwarzes Haar war mangels Pflege stumpf und verfilzt geworden, ihre blauen Augen starrten eigenartig wirr umher, als sähe sie etwas, das dem Rest der Welt verborgen blieb. Sie schlief, sie aß, und sie nähte eine mundlose Puppe nach der anderen.
    Herzog Rhius sorgte dafür, dass sich in Adelskreisen verbreitete, es sei eine schwierige Entbindung gewesen, ferner fachte er Gerüchte über die tiefe und unverminderte Trauer seiner Gemahlin ob des Verlustes des toten Mädchens an.
    Ihre Abwesenheit störte die Feierlichkeiten nicht allzu sehr. Sämtliche bedeutenden Adeligen von Ero fanden sich an jenem Abend im großen Saal ein, bis der ganze Raum im Schein der flackernden Laternen vor Juwelen und Seide zu schimmern schien. Nari, die bei den Bediensteten am Weintisch stand, beobachtete, dass einige hinter vorgehaltener Hand tuschelten, und sie belauschte ein paar der Gäste dabei, wie sie über Agnalains Wahnsinn sprachen und sich fragen, ob die Tochter so unverhofft und ohne Vorwarnung dem Pfad der Mutter gefolgt sein mochte.
    Es war eine für die Jahreszeit ungewöhnlich warme Nacht, und das leise Plätschern eines Herbstregens drang durch die offenen Fenster herein. Die Männer der Leibgarde des Herzogs säumten prunkvoll in neuen, grünen und blauen Livreen in Habachtstellung die Treppe. Sir Tharin stand in seinen Prachtgewändern und Juwelen links der Treppe und wirkte so glücklich, als wäre das Kind sein eigenes. Nari hatte den schlanken, groß gewachsenen und hellhaarigen Mann von ihrer ersten Begegnung an gemocht, und umso mehr, seit sie gesehen hatte, wie sich seine Züge aufgehellt hatten, als er Tobin in den Armen seines Vaters zum ersten Mal erblickte.
    Der König stand am Ehrenplatz rechts der Treppe und trug seinen Sohn auf einer breiten Schulter. Prinz Korin war ein fröhliches, rundliches, dreijähriges Kind mit den dunklen Locken seines Vaters und klugen, braunen Augen. Er wippte aufgeregt auf und ab und verrenkte sich den Hals, um einen Blick auf seinen neuen Vetter zu erhaschen, als Rhius am Kopf der Treppe erschien. Der Herzog wirkte in seinem bestickten Gewand und mit seinem Stirnreif überaus prunkvoll. Tobins dunkles Köpfchen lugte kaum sichtbar über den Rand seiner Seidenwickel hervor.
    »Seid mir gegrüßt und willkommen, mein König und meine Freunde!«, rief Herzog Rhius. Er kam die Treppe herab auf den König zu, sank auf ein Knie und hielt das Kind empor. »Mein König, ich stelle Euch meinen Sohn und Erben vor, Prinz Tobin Erius Akandor.«
    Erius stellte Korin neben sich, ergriff Tobin und zeigte ihn den Priestern und versammelten Adeligen. »Dein Sohn und Erbe wird vor Ero anerkannt, mein Bruder. Möge sein Name unter dem königlichen Geschlecht von Skala mit Ehre ausgesprochen werden.«
    Damit war der zeremonielle Teil des Abends vollbracht, wenngleich sich die verschiedenen Ansprachen und Trinksprüche noch die halbe Nacht fortsetzen sollten. Nari trat rastlos von einem Bein aufs andere. Das Stillen des Kindes war überfällig, und ihre Brüste schmerzten. Sie lächelte, als sie ein vertrautes, von Schluckauf unterbrochenes Wimmern vernahm. Sobald Tobin anfangen würde, richtig um sein Abendmahl zu weinen, würde man ihn bald entlassen, und sie könnte sich mit ihm in ihre stille Kammer in den oberen Gefilden des Hauses zurückziehen.
    In jenem Augenblick schrie eines der Dienstmädchen erschrocken auf und deutete auf den Weintisch. »Bei den Vieren, er ist einfach umgekippt!«
    Der Silberkelch für Rhius’ Trinkspruch lag umgestürzt da, sein Inhalt hatte sich neben dem Honigkuchen auf das dunkle, polierte Holz ergossen.
    »Ich habe gerade hingeschaut«, fuhr das Mädchen fort, dessen Stimme gefährlich anschwoll. »Keine Seele war in der Nähe!«
    »Das sehe ich selbst!«, zischte Nari und brachte das Mädchen mit einem

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