Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
verrichtete Nari untertags mehr Arbeit in der Feste, indem sie putzte und Köchin in der Küche half. Tharin war zwar wie immer da, aber Tobin verspürte keine Lust zu reiten, zu schießen oder auch nur mit dem Schwert zu üben.
Sein einziger Gefährte während der langen, trostlosen Tage jenes Frühlings war der Dämon. Er folgte Tobin überallhin und drückte sich in den Schatten des staubigen Zimmers oben herum, wenn er die Puppe besuchte. Tobin konnte spüren, wie er ihn beobachtete. Er kannte sein Geheimnis.
Ein paar Tage später schob Tobin gerade ein kleines Stockmännchen in den Straßen seiner Stadt herum, als Tharin an der Tür erschien.
»Wie ist das Leben heute in Ero?« Tharin setzte sich neben Tobin und half ihm, einige der Tonschafe in ihrem Pferch auf dem Marktplatz wieder auf die Füße zu stellen. In Tharins kurzem, blonden Bart prangten Regentropfen, und er roch nach frischer Luft und Blättern. Ihn schien es nicht zu stören, dass Tobin nichts sagte. Im Gegenteil, er führte die Unterhaltung für sie beide weiter, als wüsste er, was Tobin dachte. »Du musst deine Mutter vermissen. In ihren guten Zeiten war sie eine wunderbare Frau. Nari hat mir erzählt, dass es ihr die letzten paar Monate besser ging. Wie ich höre, hat sie dir Buchstaben beigebracht?«
Tobin nickte.
»Das freut mich.« Tharin setzte ab, um ein paar weitere Schafe so aufzustellen, wie es ihm gefiel. »Vermisst du sie?«
Tobin zuckte mit den Schultern.
»Bei der Flamme, ich schon.«
Überrascht schaute Tobin auf, und Tharin nickte. »Ich habe beobachtet, wie dein Vater ihr den Hof machte. Damals liebte er sie und sie ihn. Oh, ich weiß schon, für dich muss es anders gewirkt haben, aber damals war es so. Sie waren das ansehnlichste Paar in ganz Ero – er ein Krieger im besten Mannesalter, sie die schöne, junge Prinzessin, die eben erst zur Frau geworden war.«
Tobin spielte mit einem Schiff herum. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sich seine Eltern einander gegenüber je anders verhalten hatten, als er es kannte.
Tharin stand auf und streckte Tobin eine Hand entgegen. »Komm mit, Tobin. Du hast lange genug hier drinnen Trübsal geblasen. Der Regen hat aufgehört, und die Sonne scheint. Es ist prächtiges Wetter zum Bogenschießen. Hol deine Stiefel und deinen Mantel. Deine Waffen sind unten, wo du sie zurückgelassen hast.«
Tobin ließ sich auf die Beine ziehen und folgte dem Hauptmann hinaus auf den Kasernenhof. Die Männer lümmelten in der Sonne herum und begrüßten Tobin mit falscher Herzlichkeit.
»Da ist er ja endlich!«, rief der graubärtige Laris aus und schwang sich Tobin auf die Schulter. »Du hast uns gefehlt, Junge. Setzt Tharin deinen Unterricht fort?«
Tobin nickte.
»Was soll denn das, junger Prinz?«, schalt Koni ihn schalkhaft und schüttelte Tobins Fuß. »Sprich doch.«
»Das wird er, wenn er bereit dazu ist«, ergriff Tharin das Wort. »Holt das Schwert des Prinzen und lasst uns sehen, woran er sich noch erinnert.«
Tobin salutierte Tharin mit seiner Klinge und ging in Stellung. Er fühlte sich rundum steif und ungelenk, als sie die Bewegungsabläufe begannen, aber bis sie bei der letzten Abfolge von Stößen und Abwehren angelangten, feuerten die Männer ihn jubelnd an.
»Nicht schlecht«, meinte Tharin. »Aber ich möchte dich wieder jeden Tag hier draußen sehen. Es wird eine Zeit kommen, in der du froh über all die Übungen bist. Und jetzt lass uns sehen, wie es um deinen Bogenarm bestellt ist.«
Tharin verschwand kurz in die Kaserne und kehrte mit Tobins Bogen samt Übungspfeilen und dem Sack mit Holzspänen zurück, den sie als Ziel verwendeten. Er warf den Sack auf die Mitte des Hofes, etwa zwanzig Schritte entfernt.
Tobin überprüfte die Sehne, dann legte er einen Pfeil an und zog. Der Pfeil flog hoch und schief und landete im Schlamm in der Nähe der Mauer.
»Achte auf deine Atmung und spreiz die Beine ein wenig«, erinnerte Tharin ihn.
Tobin holte tief Luft und blies den Atem langsam aus, als er den Bogen erneut spannte. Diesmal fand der Pfeil sein Ziel, schlug in den Sack ein, stieß ihn einige Schritte weiter.
»Genau so. Und gleich noch mal.«
Tharin gestattete ihm zum Üben nur drei Pfeile. Nachdem er sie alle verschossen hatte, sollte er, während er sie einsammelte, darüber nachdenken, wie er seine Schießkunst verbessern konnte.
Bevor er sich dazu anschicken konnte, wandte Tharin sich an Koni. »Hast du die neuen Pfeile für den Prinzen
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