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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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zischenden Flüstern richteten sich die feinen Härchen an Tobins Armen auf. Er befahl Bruder zu verschwinden, zog sich die Decke wie eine Kapuze über den Kopf und starrte die flackernde Nachttischlampe an, bis Nari ins Bett kam. Danach rief er Bruder nur noch tagsüber.

K APITEL 15
     
    Iya und Arkoniel verbrachten den Sommer in den südlichsten Provinzen, wo Iya eine greise Zauberin namens Ranai aufsuchte, die in einem kleinen Fischerdorf nördlich von Erind lebte. Als Mädchen hatte Ranai im Großen Krieg an der Seite von Iyas Meister gekämpft und war dabei schwer verwundet worden. Iya hatte Arkoniel auf die Begegnung mit ihr vorbereitet, dennoch zuckte er beim ersten Anblick ihres Gesichts innerlich zusammen, als sie auf ihr Klopfen hin die Tür ihres Häuschens öffnete.
    Sie erwies sich als zerbrechliche, gebückte Frau. Der Dämon eines Totenbeschwörers hatte ihr linkes Bein verkrüppelt und mit Klauen aus Feuer über die linke Hälfte ihres Kopfes gekratzt; die Haut dort klebte in fahlen, wachsartigen Graten am Schädel, die sich nicht bewegte, wenn sie lächelte oder sprach.
    Vermutlich hat sie deshalb entschieden, sich in diesem winzigen Weiler abzukapseln , dachte Arkoniel. Die Macht in der Frau ließ ein Kribbeln durch die Härchen an den Armen des jungen Zauberers laufen.
    »Seid gegrüßt, Frau Ranai«, sagte Iya und verneigte sich vor der alten Frau. »Erinnert Ihr Euch an mich?«
    Ranai musterte sie einen Augenblick mit verengten Augen, dann lächelte sie. »Na, so was, du bist Agazhars Mädchen, nicht wahr? Allerdings kein Mädchen mehr. Komm herein, Liebes. Und wie ich sehe, hast du mittlerweile einen eigenen Schüler. Nur herein und willkommen, junger Mann, gern will ich meinen Tisch mit euch teilen.«
    Regen prasselte einlullend auf das Reetdach, während die Greisin vom Tisch zum Herd und wieder zurück humpelte, ihnen mit Brot und Suppe aufwartete. Iya trug Käse und einen Schlauch guten Weins bei, den sie im Dorf gekauft hatten. Die nächtliche Brise wehte den Geruch von Wildrosen und des Meeres durch das einzige Fenster des Häuschens.
    Während sie speisten, sprachen sie über belanglose Dinge, doch nachdem das Geschirr abgeräumt war, heftete Ranai das heile Auge auf Iya und sagte: »Ich denke, du bist aus einem bestimmten Grund gekommen.«
    Arkoniel lehnte sich mit seinem Wein zurück. Die Unterhaltung, die folgen würde, kannte er mittlerweile auswendig.
    »Fragst du dich jemals, Ranai, was wir Zauberer erreichen könnten, wenn wir die Köpfe zusammensteckten?«, begann Iya.
    Das ist das zweihundertunddreizehnte Mal , dachte Arkoniel. Er hatte mitgezählt.
    »Dein Meister und ich haben erlebt, wozu Zauberer fähig sind, zum Guten und zum Schlechten«, erwiderte Ranai. »Bist du deswegen den weiten Weg hierher gekommen, Iya? Um mich das zu fragen?«
    Iya lächelte. »Nur wenigen gegenüber würde ich das geradeheraus sagen, aber dir gegenüber schon. Wie ist deine Haltung, was den König angeht?«
    In den unversehrten Teil von Ranais Gesicht trat ein vertrauter Ausdruck der Verwunderung und Hoffnung. Sie schwenkte eine Hand, und das Fenster schloss sich von selbst. »Du hast von ihr geträumt!«
    »Von wem?«, fragte Iya ruhig, doch Arkoniel spürte ihre Aufregung. Sie hatten eine weitere gefunden.
    »Ich nenne sie die Traurige Königin«, flüsterte Ranai. »Die Träume haben vor etwa zwanzig Jahren angefangen, aber in letzter Zeit sendet Illior sie häufiger, besonders in den Nächten zwischen den beiden Sicheln des Mondes. Manchmal ist sie jung, manchmal alt. Manche Male eine Siegerin, andere Male ein Leichnam. Ihr Gesicht sehe ich nie deutlich, aber es umgibt sie immer ein Gefühl tiefen Kummers. Ist sie echt?«
    Iya beantwortete die Frage nicht unmittelbar. Das tat sie nie, ebenso wenig, wie sie je die Schale herzeigte, die sie in dem abgewetzten Lederbeutel bei sich trug. »Mir wurde in Afra eine Vision zuteil. Arkoniel kann das bezeugen. Darin sah ich zunächst die Zerstörung von Ero, dann eine neue Stadt und ein neues Zeitalter der Zauberer. Allerdings muss eine Königin über jene neue Stadt herrschen. Du weißt, dass Erius das niemals zulassen wird. Er folgt von den Vieren Sakor, obschon es Illior war, die Skala im Großen Krieg und seither beschützt hat. Auch über uns Zauberer hält Illior die Hand. Haben wir dem Lichtträger gut gedient, indem wir alle die Jahre tatenlos mit angesehen haben, wie die große, Thelátimos bescherte Prophezeiung mit Füßen getreten und

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