Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
»Ich bitte um Verzeihung, Tobin, aber deine Großmutter hat einige finstere Dinge getan.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Sie war wahnsinnig, genau wie meine Mutter.«
»Sag das nicht, Tob«, bat Ki. Die Erinnerung an sie schien Tobin in letzter Zeit zu sehr durch den Kopf zu spuken. »Sie hat nie Dinge wie die wahnsinnige Agnalain getan.« Oder wie der König, fügte er insgeheim hinzu.
»Das kann nicht stimmen«, meinte Tobin zu Nikides. »Kanzler Hylus ist der weiseste, getreueste Mann in Skala, und das ist jedem bekannt. Du weißt doch, wie Gerüchte sind.«
»Aber was, wenn es wahr ist?« Nikides kämpfte abermals mit Tränen. »Was, wenn er heute Abend mit den anderen hingerichtet wird? Und …« Flehentlich schaute er zu Tobin auf. »Wie könnte ich dort sitzen und dabei zusehen?«
»Komm mit. Ich wette, Korin weiß Bescheid«, sagte Tobin.
Tanil antwortete auf ihr Klopfen hin. »Ist es schon Zeit aufzubrechen?« Er trug seine protzigste Rüstung, aber seine Stiefel waren noch nicht zugeschnürt.
»Nein, wir müssen mit Korin reden«, erwiderte Tobin.
Korin stand mit halb zugeschnalltem Brustpanzer vor seinem langen Spiegel. Der Sakor-Pferdetalisman, den Tobin für ihn angefertigt hatte, schwang gegen das vergoldete Leder, während Tanil mit den störrischen Schnallen kämpfte. Indes legten zwei Kammerdiener Zeremonienumhänge heraus und polierten den mit Gold ziselierten Helm des Prinzen.
Ki verspürte einen Anflug von Schuldgefühlen, als er dies sah. Tobin zog sich immer noch selbst an und ließ Ki nur bei jenen Schnallen helfen, die er selbst nicht erreichen konnte. So sehr er Tobins Schlichtheit bewunderte, manchmal fragte er sich, ob er nicht versuchen sollte, ein wenig mehr wie jemand von königlichem Geblüt zu leben.
Tobin erklärte Nikides Besorgnis, aber Korin zuckte nur mit den Schultern. »Mir ist davon nichts zu Ohren gekommen, Nik. Denk dir nichts dabei. Du weißt, wie launisch mein Vater sein kann, besonders, wenn er erschöpft ist. Das liegt an dieser verdammten Hitze!« Er drehte sich zum Spiegel zurück, um zu beobachten, wie Tanil ihm seinen kastanienbraunen und goldenen Umhang um die Schultern schlang. »Aber Hylus hätte es besser wissen müssen, als Vater zu hinterfragen! «
Jeder Sohn würde für seinen Vater eintreten, das war Ki klar; er hatte es selbst oft genug getan. Doch in Korins Stimme schwang dabei ein herrischer Tonfall mit, den Ki in letzter Zeit zunehmend häufiger gehört hatte und der ihm Unbehagen bereitete. Genau wie der betroffene Gesichtsausdruck des armen Nikides.
»Ich dachte, es sei die Aufgabe des Großkanzlers, den König zu beraten«, sagte Tobin leise.
Korin drehte sich um und zerzauste seinem Vetter das Haar. »Trotzdem muss auch ein Berater angemessene Achtung zeigen, Vetter.«
Tobin wollte etwas darauf erwidern, aber Ki suchte seinen Blick und schüttelte leicht den Kopf. Nikides' beunruhigte Miene verriet ihm einerseits, dass er damit richtig gehandelt hatte, andererseits, wie sehr sich das Leben seit der Rückkehr des Königs verändert hatte.
Die Gefährten versammelten sich im Speisesaal für eine Überprüfung durch Meister Porion, bevor sie zum Neuen Palast weitergingen. Tobin blieb nah bei Nikides, während die anderen umherwuselten.
Ki stand bei ihnen, doch sein Blick weilte auf Korin. Der Prinz war bester Laune und unterhielt sich mit den anderen Jungen, als wären sie unterwegs zu einem Fest. Einige von ihnen hatten schon Hängungen gesehen, aber an diesem Abend würden Zauberer verbrannt werden!
»Ich habe gehört, sie werden ganz schwarz und schrumpeln im Feuer wie eine Spinne«, sagte Alben, der die Vorstellung unverkennbar genoss.
»Ich habe gehört, sie verpuffen zu farbigem Rauch«, entgegnete Orneus.
»Wir zeigen ihnen, was Verräter in Ero erwartet!«, rief Zusthra aus und schwang sein Schwert. »Es ist schlimm genug, dass wir jenseits des Meeres Feinde haben, da können wir Sorgen über Nattern zu Hause nicht gebrauchen.«
Seine Äußerung wurde von stürmischem Jubel begrüßt.
»Zauberer sind mit ihrer Magie und Freidenkerei die gefährlichste Sorte von Verrätern«, tat Orneus kund, und Ki vermutete, dass er etwas wiedergab, was er von seinem Vater gehört hatte.
»Verbrecherische Priester wie der Mistkerl, der Korin angegriffen hat, sind am zweitschlimmsten«, befand Urmanis. »Und diese verfluchten Anhänger Illiors, die immer noch behaupten, nur eine Frau könne über Skala herrschen? Das ist,
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