Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
wurde klar, dass er der Einzige war, der noch stand, doch seine Beine weigerten sich noch immer, ihm zu gehorchen. Kurz spähte er in die Augen des Königs, um die Zeichen darin zu deuten. Er entdeckte Zorn, soviel stand fest, aber auch jene quecksilbrige Gefahr, diesen Ansatz von Wahnsinn.
»Nun?«, drängte Porion schroff.
»Wir – wir haben bloß gespielt«, brachte Tobin schließlich hervor. Selbst für seine Ohren hörte es sich lächerlich an.
»Gespielt?«
»Ja, Majestät«, meldete sich eine zitternde, hohe Stimme zu Wort. Una. Sie legte das Schwert vor sich auf den Boden, als wollte sie es ihm darreichen. »Es ist bloß ein Spiel – wir tun so, als wären wir Krieger.«
Der König wandte sich ihr zu. »Und wessen Einfall war das?«
»Meiner, Majestät«, antwortete sie sofort. »Ich habe To- … Prinz Tobin gebeten, ob er uns zeigen könnte, wie man mit Schwertern spielt.«
Der König schaute mit hochgezogener Augenbraue zu Tobin. »Ist das wahr? Und ihr versteckt euch hier oben, nur um zu spielen?«
Moriel weidete sich unverhohlen an dem Schauspiel. Tobin fragte sich, wie lange er sie bespitzelt hatte und hasste ihn mehr denn je. Und wie viel hatte er dem König erzählt?
»Una hat mich gebeten, es ihr beizubringen, und ich habe es getan«, erwiderte er. »Wir machen es hier oben, weil ihr Vater es nicht gutheißen würde. Und damit die älteren Jungen nicht über uns lachen würden, weil wir gegen Mädchen kämpfen.«
»Du, Nikides?«, sagte Erius. »Du hast dabei auch mitgemacht und nie daran gedacht, deinem Großvater davon zu erzählen?«
Nikides ließ den Kopf hängen. »Ja, Majestät. Es ist mein Fehler. Ich hätte …«
»Ja, das hättest du verdammt noch mal tun sollen!«, tobte Erius. »Und du weißt es ebenfalls besser, junges Fräulein!«, herrschte er Una an. Dann wandte er sich wieder Tobin zu, das Gesicht vor anschwellender Wut verzerrt. »Und du – mein eigen Fleisch und Blut stiftet Aufruhr! Wenn meine Feinde davon erführen …«
Endlich gaben Tobins Beine nach, und er kniete sich vor den König, überzeugt davon, dass der Mann Hand an ihn legen würde. In jenem Augenblick erhaschte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung, und eine noch größere Angst ließ ihm den Atem in der Kehle stocken.
Bruder stand dort, wo zuvor der König gewesen war, und zeichnete sich gegen den Himmel ab. Selbst auf die Entfernung erkannte Tobin die Mordlust in den Zügen seines Zwillings. Bruder setzte sich in Bewegung, hielt auf den König zu, der Tobin weiter schalt.
In Oruns Haus war Tobin zu überrascht gewesen, um etwas zu tun. Diesmal hob er die Hände in einer scheinbar demütigen Geste vor den Mund und flüsterte die Worte, so laut er es hinter den Fingern wagte.
Bruder hielt inne und sah Tobin an; sein Mund verzerrte sich zu einem wütenden Knurren. Er befand sich nur noch wenige Schritte vom König entfernt, beinah in Reichweite. Der hungrige Zorn des Geistes rollte über die Schindeln des Daches wie kalter Nebel, aber Tobin starrte ihn an, während seine Lippen den stummen Befehl bildeten: Geh weg, geh weg, geh weg!
Bevor er sehen konnte, ob Bruder ihm gehorchte, trat Erius näher und versperrte ihm die Sicht.
»Was wimmerst du da, Balg?«, fragte er fuchsteufelswild. Von Grauen erfüllt wartete Tobin hilflos darauf, dass der König vor aller Augen tot umfallen würde.
»Bist du taub und stumm zugleich?«, brüllte Erius.
»Nein, Onkel!«, flüsterte Tobin. Er verlagerte geringfügig das Gewicht, um am König vorbeiblicken zu können. Bruder war verschwunden.
»Verzeiht, Onkel«, sagte er; pure Erleichterung ließ ihm schwindlig werden und machte ihn verwegen. »Ich habe einfach nichts Schlimmes daran gesehen.«
»Nichts Schlimmes? Obwohl du wusstest, dass ich ausdrücklich verboten habe …«
»Wir haben sie nicht wirklich unterrichtet, Majestät«, platzte Ki heraus. »Wir dachten bloß, wenn wir mitspielen und alleine dabei sind, lassen sie sich vielleicht von uns küssen. Sie – sie taugen alle nichts.«
Innerlich wand sich Tobin; zweifellos wusste Una, dass dies eine unverhohlene Lüge war, die Ki nur ausgesprochen hatte, um ihnen den Zorn des Königs zu ersparen, dennoch konnte sich Tobin nicht überwinden, sie anzusehen.
»Er lügt!«, rief Moriel. »Ich habe sie beobachtet. Sie haben sie sehr wohl unterrichtet.«
»Als ob du den Unterschied erkennen würdest, du teiggesichtiges Schoßhündchen!«, schoss Ki zurück.
»Das reicht jetzt!«, herrschte Porion ihn
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