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Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Titel: Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Farbe in seine bleichen Wangen gezaubert und seinem zottigen, braunen Haar etwas Glanz verliehen. Unterhaltungen blieben schwierig; Wythnir sprach selten, außer eine Antwort zu murmeln, wenn man ihn etwas fragte.
    Im Arbeitszimmer jedoch beobachtete er jeden Handgriff Arkoniels mit aufmerksamen, ernsten Augen. Eines Tages bot Wythnir aus Gründen, die nur er selbst kannte, Arkoniel zögerlich an, ihm zu zeigen, wie man einen Glückszauber aus einem Büschel getrockneten Thymians und Pferdehaar fertigte. Dies war nichts, was Achtjährige in der Regel wussten, auch nicht solche, die mit der Gabe geboren waren. Handwerklich erwies sich der Zauber als etwas plump, aber er wirkte. Arkoniels aufrichtiges Lob brachte ihm das erste Lächeln ein, das er von dem Jungen gesehen hatte.
    Nach diesem kleinen Erfolg blühte Wythnir richtig auf. Es schien nur natürlich, ihn zu unterrichten, und es bedurfte nur weniger Stunden, um festzustellen, dass Kaulin mit dem Jungen besser als vermutet gearbeitet hatte. Wythnir war seit weniger als einem Jahr bei dem Mann gewesen, dennoch kannte er bereits die grundlegenden Sprüche und Feuerzauber und wusste überraschend viel über die Eigenschaften von Pflanzen. Arkoniel begann zu vermuten, dass Kaulins Vernachlässigung des Jungen weder an Langeweile noch an Enttäuschung lag, sondern vielmehr daran, dass ihm die offenkundige Begabung des Jungen widerstrebte.
    Die Entdeckung von Wythnirs Auffassungsgabe ließ Arkoniel vorsichtig dabei werden, was er dem Knaben von seinen eigenen Arbeiten sehen ließ. Was er über Lhels Hexerei gelernt hatte, galt unter den freien Zauberern nach wie vor als verbotenes Wissen. Die Vormittage verbrachten sie zusammen, doch an den Nachmittagen widmete sich Arkoniel alleine seiner Forschung.
     
    Seit Ranai ihn mit ihrem Geschenk bedacht hatte, war Arkoniel aufgefallen, dass ihm manche Arten von Zau bern – insbesondere Beschwörungen und Verwandlungen – leichter fielen als zuvor. Er sah die Muster der Zauber deutlich in seinen Gedanken und hatte festgestellt, dass er den magischen Blick fast eine Stunde aufrechterhalten konnte, ohne zu erschöpfen. Vermutlich war es ebenso sehr ihr wie Lhel zu verdanken, dass er letztlich einen ersten Erfolg bei dem verzeichnete, was er mittlerweile als seinen ›Pfortenzauber‹ bezeichnete.
    Seit ihm der Einfall dazu erstmals gekommen war, hatte er die Versuche ein gutes Dutzend Mal aufgegeben, aber früher oder später ertappte er sich immer wieder dabei, dass die alte Salzdose vor ihm stand und er versuchte, eine Bohne oder einen Stein durch Willenskraft in die Dose zu versetzen.
    Eines verregneten Vormittags im späten Klesin fegte Wythnir gerade das Arbeitszimmer, während Arkoniel einen weiteren Versuch unternahm. Wythnir ging zu ihm hinüber, um zu sehen, weswegen er so grummelte.
    »Was wollt Ihr denn machen?« Noch immer sprach er im gedämpften Tonfall eines Tempelnovizen. Arkoniel fragte sich oft, ob ein paar Tage mit Ki dies ändern würden.
    Der Zauberer hielt die widerspenstige Bohne hoch. »Ich will, dass die hier in die Dose wandert, aber ohne den Deckel zu öffnen.«
    Wythnir überlegte kurz. »Warum macht Ihr kein Loch in die Dose?«
    »Na ja, weißt du, das würde dem Sinn der Sache widersprechen. Ich meine, ebenso gut könnte ich einfach den Deckel …« Jäh verstummte Arkoniel und starrte erst den Jungen, dann die Dose an. »Danke, Wythnir. Würdest du mich bitte eine Weile alleine lassen?«
     
    Arkoniel verbrachte den Rest des Nachmittags und die Nacht mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden, tief in Gedanken versunken. Als der Morgen graute, schlug er die Augen wieder auf und lachte. Das Muster der Magie hatte sich ihm endlich offenbart, so schlicht und klar in seiner Beschaffenheit, dass er sich nicht vorstellen konnte, weshalb es sich ihm so lange entzogen hatte. Kein Wunder, dass es eines Kindes bedurft hatte, um ihn darauf hinzuweisen.
    Er kehrte zum Tisch zurück und ergriff eine Bohne sowie seinen Kristallstab. Dann summte er die Töne der Macht, die sich ihm während der Nacht eröffnet hatten, und wob mit der Spitze des Zauberstabs Lichtlinien in die Luft: Wirbelwind, Pforte, Reisender, Rast. Er wagte es kaum zu glauben, aber das Muster hielt, und das vertraute, kalte Prickeln von Macht wanderte von seiner Stirn zu den Händen hinab. Das Muster wurde heller, dann fiel es zu einem kleinen Fleck Dunkelheit zusammen, der glänzte, fest wie polierter Gagat wirkte und in der Luft vor ihm

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