Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
gewarnt, die Fensterzauber nie zu berühren, dachte er, als ihn eine Welle von Übelkeit erfasste. Kein Wunder, dass sie gezögert hatte, ihn in Magie solcher Art einzuweihen.
Es erwies sich als recht aufwendig, die Blutung zu stillen. Köchin vernähte das Ende des Stumpens, beschmierte es mit Honig und verband es mit einem sauberen Leinenstreifen.
Die Dose putzte Arkoniel selbst aus, und er erwähnte weder Kaulin noch Wythnir gegenüber etwas von dem Vorfall. Stattdessen achtete er vorsichtiger als je zuvor darauf, andere fernzuhalten, wenn er den Zauber wob.
Statt seinen Eifer zu dämpfen, spornte ihn der Unfall nur zusätzlich an. Die nächsten Tage verbrachte er mit Versuchen an verschiedenen Gegenständen: einem Stück Pergament, einem Apfel, einem Umhangstift und einer toten Maus aus einer der Fallen in der Küche. Allein der Metallstift blieb unbeschadet. Das Pergament wurde in Stücke gerissen, aber nicht verbrannt.
Der Apfel und die Maus trafen in einem sehr ähnlichen Zustand wie sein abgetrennter Finger am Ziel ein – das Fleisch und die dünneren Knochen waren zerfetzt, der Schädel der Maus hingegen blieb unversehrt.
Nachdem er somit bestimmt hatte, dass nur sehr feste Gegenstände unbeschadet befördert werden konnten, wandte er sich als Nächstes Versuchen mit verschiedenen Gewichten zu und stellte dabei fest, dass eine gemeißelte Buchstütze aus Stein nicht mehr Anstrengung als die Bohnen erforderte, um sie durch den Raum zu senden. Zufrieden kehrte er zu den Bohnen zurück und begann mit Entfernungsversuchen.
Nari und die anderen bedachten ihn mit seltsamen Blicken, als er durch die Feste hastete. Wythnir wurde neben der Dose aufgestellt und hatte die Aufgabe, die Treppe herunterzubrüllen, sobald die kleinen Reisenden aufgetaucht waren.
Ganz gleich, wie weit Arkoniel sich von der Dose entfernte, ganz gleich, wie viele Türen oder Wände sich dazwischen befanden, er brauchte sich nur ein Loch in der Seite der Dose vorzustellen, alle Aufmerksamkeit zu bündeln, und die Bohne fand den Weg.
Als Nächstes versuchte er, die Bohnen an andere Zielorte zu befördern. Die Erste reiste erfolgreich vom Arbeitszimmer zur Opferablage des Hausschreins. Von dort sandte er sie weiter zu Köchins Mehlfass – in diesem Fall ein Erfolg, der mit reichlich Kleckerei einherging. Schließlich ging er dazu über, die Bohnen nach draußen zu befördern.
Kaulin blieb unbeeindruckt. »Ich sehe darin keinen besonderen Nutzen«, meinte er naserümpfend, während er beobachtete, wie Arkoniel eine Bohne aus dem Stamm einer Weide am Fluss holte.
Arkoniel schenkte ihm keine Beachtung und stellte stattdessen in Gedanken bereits eine Liste von Plätzen in anderen Ortschaften zusammen, die er sich deutlich genug vorstellen konnte, um die Magie darauf zu richten.
»Natürlich ist es ein Nachteil, keine Briefe auf Pergament befördern zu können«, räumte er ein. »Aber auch dafür muss es eine Lösung geben.«
»Ihr könntet sie auf Holzstücke schreiben«, schlug Wythnir vor.
»Ich denke, das könnte ich wohl«, grübelte Arkoniel. »Tatsächlich ist das eine sehr gute Idee, Wythnir.«
Kaulin bedachte die beiden mit einem verächtlichen Blick und stapfte davon, um sich um eigene Angelegenheiten zu kümmern.
K APITEL 28
Selbst in den Bergen wurden der nächste Frühling und der beginnende Sommer heißer als im Jahr davor. Händler erhöhten ihre Preise und beklagten sich über verendendes Vieh und von Trockenheit und Ödnis heimgesuchte Felder. An den Gebirgshängen färbten sich die Birken im Hochsommer gelblich. Sogar Lhel, deren Beherrschung der Sprache durch den Unterricht mit Arkoniel immer besser wurde, schien es zu spüren, und dabei hatte Arkoniel sie nie zuvor über Hitze oder Kälte klagen gehört.
»Der Fluch auf diesem Land breitet sich aus«, warnte sie und kratzte Symbole in die Erde um ihr Lager.
»Tobin ist noch so jung …«
»Ja, zu jung. Skala muss noch etwas länger leiden.«
Im späten Gorathin gipfelte die Hitze schließlich in einer Reihe von heftigen Gewittern.
Arkoniel hatte sich angewöhnt, den heißesten Teil der Tage hindurch zu schlafen. Der erste Donnerschlag erschütterte die Feste wie eine Lawine und ließ ihn jäh in seinem schweißfeuchten Bett hochschrecken. Als er sich auf die Beine mühte, war sein erster Gedanke, dass er den Tag verschlafen haben musste, da im Zimmer fast völlige Finsternis herrschte. Draußen jagten Wolken der Farbe eines frischen
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