Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
legendär. Laut ihrer Kammerfrau besaß die Prinzessin einen kräftigen Wurfarm und ein ausgezeichnetes Ziel.
All das bewog Tobin nicht, sie mehr zu mögen, dennoch stellte er fest, dass sie ihn fesselte, denn sie war die erste Frau in anderen Umständen, die er je gekannt hatte. Lhel zufolge stellte dies einen Teil der geheimen Macht einer Frau dar, und allmählich begriff er, was sie damit meinte, besonders seit Aliya darauf bestanden hatte, dass er die Hand auf ihren Bauch legte, um zu spüren, wie sich das Kind bewegte. War er anfangs noch verschämt, wich seine Verlegenheit einem Gefühl der Verwunderung, als etwas Hartes und Schlüpfriges flüchtig über seine Handfläche strich. Danach ertappte er sich häufig dabei, auf ihren Bauch zu starren und nach den geheimnisvollen Ansätzen von Bewegung Ausschau zu halten. Dies war Korins Kind und daher mit ihm verwandt.
Jener Winter begann feucht und ungewöhnlich warm. Die Gefährten und ihre Männer brachen in einem Nieselregen auf und sahen wochenlang keine Sonne. Die Straßen unter den Hufen ihrer Pferde bestanden aus aufgewühltem Schlamm. Herbergen und Festungen gab es in diesem Teil des Landes nur spärlich, weshalb sie die meisten Nächte in gewachsten Segeltuchzelten verbrachten – nassen, freudlosen Lagern.
Die erste Banditenbande, die sie aufspürten, erwies sich als armselig. Es waren nur einige zerlumpte Männer und Jungen, die Rinder gestohlen hatten und sich widerstandslos ergaben. Korin ließ sie allesamt hängen.
Eine Woche später stießen sie auf eine stärkere Gruppe, die sich in einer Höhle in den Hügeln verschanzt hatte. Die Gefährten beschlagnahmten ihre Pferde, aber die Männer waren gut bewaffnet und hielten ihre Stellung vier Tage lang, bevor der Hunger sie aus der Höhle trieb. Selbst da kämpften sie noch wild. Korin tötete den Anführer inmitten eines blutigen Getümmels. Tobin fügte seiner Liste drei weitere Opfer hinzu, und diesmal ohne Bruders Hilfe. Seit dem Verlassen der Feste hatte er den Geist weder gerufen, noch gesehen.
Die Soldaten entkleideten die Leichname, bevor sie verbrannt wurden, und erst da wurde festgestellt, dass acht davon Frauen waren, darunter Kis zweites Opfer. Sie hatte Grau im Haar und alte Narben an den Armen.
»Ich weiß nicht recht …«, murmelte er bekümmert.
»Sie war eine Banditin, Ki, genau wie die anderen«, sagte Tobin zu ihm, doch auch in seinem Magen nistete sich ein flaues Gefühl ein.
Tharin und Koni hatten über einem anderen Leichnam innegehalten. Tobin erkannte den fleckigen, grünen Kittel in Konis Händen; diese Frau war eine jener gewesen, die er getötet hatte. Sie war älter als die andere. Ihre schlaffen Brüste und die dichten, weißen Strähnen in ihrem Haar ließen ihn an Köchin denken.
»Ich kannte sie«, sagte Tharin, als er einen rissigen Mantel über den Leichnam ausbreitete. »Sie war Hauptmännin im Regiment der Weißen Falken.«
»Ich kann nicht glauben, dass ich gegen eine Frau gekämpft habe!«, rief Alben und drehte eines seiner Opfer mit dem Fuß herum. Angewidert spuckte er aus.
»Das ist keine Schande. Früher waren sie Kriegerinnen.« Tharin sprach leise, doch alle hörten den zornigen Unterton, der in seinen Worten mitschwang.
Porion schüttelte den Kopf. »Kein wahrer Krieger wird zum Freibeuter.«
Tharin wandte sich ab.
Korin spuckte auf die tote Hauptmännin. »Abtrünniger Abschaum und Verräter, allesamt. Verbrennt sie mit den anderen.«
Tobin empfand kein Mitgefühl für Gesetzesbrecherinnen – sowohl Una als auch Ahra hatten Möglichkeiten gefunden, zu dienen, ohne abtrünnig zu werden, und die Frauen in Atyion begnügten sich damit abzuwarten. Aber Tharins unausgesprochene Wut blieb Tobin im Gedächtnis und fühlte sich so beunruhigend an wie der Geruch verbrannten Fleisches, der an ihren Kleidern klebte, als sie weiterritten.
Die tote Hauptmännin suchte Tobin noch wochenlang in seinen Träumen heim, allerdings nicht als rachsüchtiger Geist. Stattdessen kniete sie nackt, blutig und weinend vor ihm und legte ihm ihr Schwert zu Füßen.
K APITEL 46
Die Regenfälle hielten beständig den Cinrin hindurch an. In der Trauernacht wehten heftige Winde vom Meer herein, fegten die schwarzen Tücher von den Festgongs aus Bronze und wirbelten sie wie Bestattungsgaben durch die von Regen gepeitschten Straßen. Die Gongs schwenkten gegen ihre Halterungen und läuteten einen mitternächtlichen Alarm statt eines frühmorgendlichen
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