Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
sagen.« Er verfiel zurück in den Landakzent, den er früher gehabt hatte. »Haste dir nicht das Bein gebrochen und hängen dir die Gedärme nicht raus, dann kannste verflucht noch mal raus und dich um deine Arbeiten kümmern.«
»Vermisst du deine Familie?«
Ki faltete die Arme auf der Brust. »Einige der Sippschaft, denke ich. Ahra und ein paar Brüder.«
»Nachdem wir in Ero alles geregelt haben, könnten wir sie ja einmal besuchen«, schlug Tobin vor. »Ich möchte gerne sehen, woher du kommst.«
Ki wandte den Blick ab. »Nein, das möchtest du nicht.«
»Warum nicht?«
»Möchtest du einfach nicht.« Dann bedachte er Tobin mit einem kecken Grinsen. »Bei Bilairys Hintern, nicht mal ich will dorthin zurück. Warum solltest du es dann wollen?«
Tobin ließ es dabei bewenden. Warum sollte er Ki nicht auch ein paar Geheimnisse zugestehen? Außerdem lag sein früheres Leben lange zurück. Er schob erneut die Finger durch Kis Haar und tat so, als wolle er einen eingehenderen Blick auf die Wunde werfen. »Jedenfalls dürfte hier eine ordentliche Narbe zurückbleiben.«
»Allerdings keine, mit der ich angeben könnte«, murrte Ki. »Denkst du, die Mädchen würden mir glauben, wenn ich erzähle, wir wären unterwegs Beutefahrern aus Plenimar oder vielleicht Banditen begegnet? Ich wette, Una und Marilli würden es glauben.«
Tobin kicherte, doch zugleich verspürte er jenen vertrauten Anflug von Eifersucht. Er hatte genug Geschichten über die heißblütige Verwandtschaft seines Freundes gehört, und Ki warf bereits selbst ein Auge auf alles, was Röcke trug.
Tobins Verschämtheit in dieser Hinsicht hatte ihm reichlich Hänseleien unter den Gefährten eingebracht. Selbst Ki war nicht darüber erhaben, ihn gelegentlich mit einer gutwilligen Stichelei aufzuziehen. Alle – auch Tobin selbst – hatten es stets seiner Jugend und seiner natürlichen Schüchternheit zugeschrieben.
Bis jetzt.
Nun, die Finger noch mit Kis warmem Haar verflochten, beschlich Tobin seine erste Ahnung, was dieser zornige kleine Knoten in seinem Bauch bedeuten mochte. Er löste die Hand von Ki, legte sich zurück und zog sich die Decke bis ans Kinn.
Ich mag Mädchen nicht auf diese Weise, weil ich –
Er warf sich einen Arm über das Gesicht, um die aufsteigende Röte zu verbergen, die ihm in den Wangen brannte, und er wandte Arkoniels Kniff an. Er dachte an Gosis raues Winterfell, an das Gefühl von kaltem Regen an seinem Hals, an das Pieksen der Krallen seines Falken an seiner Faust – an alles außer an die heißen Schuldgefühle, die ihn durchströmten. An alles außer daran, wie sich seine Finger an das Gewicht der weichen Haare seines Freundes erinnerten.
Ich bin ein Junge! Ki würde nie …
Ki war still geworden, und als Tobin es wagte, den Arm wegzuheben, stellte er fest, dass sein Freund mit gerunzelter Stirn zu den Deckenbalken emporstarrte. Nach einer Weile stieß er ein langes Seufzen aus.
»Was ist mit Orun? Was, wenn er deinen Onkel diesmal dazu bewegt, mich wegzuschicken?«
»Ich habe dir doch gesagt, das lasse ich nicht zu.«
»Oh, ich weiß.« Ki ließ das ihm eigene, durch die vorstehenden Zähne unverwechselbare Grinsen aufblitzen, als er Tobins Hand ergriff, doch er war besorgt. »Ich sage dir etwas, Tob: Ganz gleich, was geschieht, ich werde immer zu dir stehen, auch wenn es nur als Soldat deiner Garde ist.« Ki hörte sich todernst an. »Komme, was wolle, Tobin, ich bin dein Mann.«
»Ich weiß«, brachte Tobin hervor, hin- und hergerissen zwischen Dankbarkeit und Schuldgefühlen. »Und ich der deine. Aber jetzt schlaf, bevor Nari kommt und dich nach nebenan zurückschickt.«
Orun antwortete bereits am nächsten Tag mit einem weiteren Boten, und ohne nachzudenken, machte sich Tobin auf, um die Neuigkeiten in Empfang zu nehmen. Tharin befand sich mit dem Mann in der Halle und schaute überrascht auf, als Tobin geräuschvoll die Treppe hinabstapfte. In jenem Augenblick war er zu zerstreut, um zu deuten, was Tharins Blick verheißen mochte.
Der Besucher erwies sich als höchst überraschender Bote. Es war Oruns Kammerdiener Bisir, ein sanftmütiger, stiller Bursche, auf dieselbe Weise gut aussehend wie alle jungen Männer in Oruns Haushalt. Ob seiner großen, dunklen Augen und weichen, unruhigen Hände hatte Bisir Tobin schon immer an einen Hasen erinnert. Er zählte zu den wenigen in jenem Haushalt, der von Anfang an nett zu ihm gewesen war, und, noch wichtiger, der Einzige, der sich Ki gegenüber
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