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Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Titel: Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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wie Gift. Als sich Tobin näher heranbeugte und das Licht letztlich auf sein Antlitz fiel, konnte sich Erius weder bewegen, noch aufschreien.
    »Oh, sie werden kommen«, zischte Bruder und ließ den völlig verängstigten König sein wahres Gesicht sehen. »Aber nicht für dich, alter Mann. Sie kommen für meine Schwester.«
    Wie gelähmt starrte Erius das schauerliche Wesen vor ihm verständnislos an. Dann waberte die Luft, und der blutige Geist seiner Schwester tauchte daneben auf. Voll mütterlicher Zuneigung streichelte sie den verwesten Kopf der Kreatur. Erst da begriff Erius, und es war bereits zu spät. Seine Finger verkrampften sich um den Schwertgriff, als Bruder sein Herz zum Stillstand brachte.
    Später musste Korin seinem Vater die Finger brechen, um die Waffe aus seiner toten Hand zu lösen.

 
K APITEL 54
     
    Schwäne. Weiße Schwäne, die in Paaren über einen unmöglich blau anmutenden Himmel flogen.
    Mit pochendem Herzen setzte sich Tobin auf, nicht sicher, in welchem Raum er sich befand.
    Atyion. Das Zimmer meiner Eltern.
    Die Bettvorhänge waren zurückgezogen, vor dem Fenster dämmerte ein nebliger Morgen. Ringelschweif bleckte eingerollt zwischen Tobins Füßen die Zähne in einem mächtigen Gähnen und begann anschließend zu schnurren.
    »Ki?«
    Die andere Seite des riesigen Bettes erwies sich als unberührt. Die Kissen lagen flauschig und uneingedrückt da.
    Tobin kletterte aus dem Bett und ließ den Blick mit wachsender Besorgnis durch das Zimmer wandern. Weit und breit waren keine Pritsche, keine Bedienstetennische und kein Anzeichen von Ki zu sehen. Wo konnte er sein? Tobin steuerte auf die Tür zu, doch ein flüchtiges Bild im großen Spiegel erregte seine Aufmerksamkeit und ließ ihn erstarren.
    Da war sie nun, jene Fremde, die ihn aus Lhels Quelle entgegengestarrt hatte. Gefangen zwischen Entsetzen und Verwunderung trat Tobin näher. Die Fremde tat dasselbe, ein schlankes, linkisches, verängstigt wirkendes Mädchen in einem langen Leinennachthemd. Sie teilten sich dieselbe Narbe auf dem Kinn und dasselbe dunkelrosafarbene Weisheitsmal auf dem linken Unterarm.
    Langsam zog Tobin das Nachthemd hoch. Der Körper wirkte kaum verändert, war immer noch sehnig und kantig, abgesehen von den kleinen Brüsten, die sich unterhalb der verkrusteten Wunde abzeichneten. Aber weiter unten …
    Irgendein rücksichtsvoller Diener hatte den Nachttopf deutlich sichtbar neben das Bett gestellt. Tobin schaffte es gerade noch rechtzeitig dorthin, brach auf Hände und Knie zusammen und würgte trocken.
    Als die Krämpfe verebbten, zwang sie sich zurück zum Spiegel. Ringelschweif schlängelte sich zwischen ihren nackten Knöcheln hindurch. Sie hob ihn hoch und drückte ihn an sich.
    »Das bin ich. Ich bin jetzt Tamír«, flüsterte sie der Katze zu. Das Gesicht schien wenig verändert, etwas weicher vielleicht, aber immer noch schlicht und unscheinbar, abgesehen von den strahlend blauen Augen. Jemand hatte die letzten Reste der bröckligen alten Haut von ihr abgewaschen und sie ihr aus dem Haar gebürstet. In seidigen, schwarzen Wellen hing es ihr ums Gesicht; sie versuchte, es sich mit Schleifen und Perlen geflochten vorzustellen.
    »Nein!« Abermals flüchtete sie vor dem Spiegel und suchte vergeblich nach ihren Kleidern. Sie ging zum nächstbesten Schrank und riss die Tür auf. Das morgendliche Licht erfasste ihrer Mutter Gewänder aus Samt und Seide. Sie warf die Tür wieder zu, begab sich zum nächsten Schrank und holte daraus einen der staubigen Wappenröcke ihres Vaters hervor, doch er erwies sich als zu groß. Sie riss ihn sich vom Leib, ergriff einen schwarzen Mantel von dessen Haken und hüllte sich stattdessen in diesen.
    Ihr Herz hämmerte in der Brust, als sie zur Tür eilte, um Ki zu suchen.
    Um ein Haar wäre sie über ihn gestolpert. Er döste auf einer Pritsche unmittelbar vor dem Zimmer, den Rücken an die Wand gelehnt, das Kinn auf der Brust. Als sie so überhastet herausstürzte, erwachte er. Zwei Soldaten, die Wache standen, nahmen stramme Haltung ein und salutierten, doch sie schenkte ihnen keine Beachtung.
    »Was um alles in der Welt machst du hier draußen?«, verlangte sie zu erfahren und hasste den unvertrauten Klang ihrer Stimme. Im Augenblick hörte sie sich ziemlich schrill an.
    »Tob!« Ki rappelte sich auf. »Ich … Na ja, es schien sich nicht zu geziemen …«
    »Wo sind meine Kleider?«
    »Wir waren nicht sicher, welche du haben wollen würdest.«
    »Welche ich will? Meine

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