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Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Titel: Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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alles, was er sich je ausgemalt hatte.
    Weißes Feuer verschlang ihn, so heftig, dass es sich eiskalt anfühlte. In jenen Flammen gefangen, konnte er weder atmen, noch denken, weder schreien, noch etwas hören, dennoch gelang es ihm irgendwie, Bruder zu sehen und zu spüren, wie der Geist nach ihm griff, ihn umarmte, durch ihn strich wie ein kalter, schwarzer Schatten im Herzen jenes weißen Feuers.
    Dann verebbten die Schmerzen, und Tobin lag gekrümmt auf der Seite auf warmem, glattem Stein im Sonnenlicht. Die Geister umgaben ihn noch immer, allerdings nunmehr blasser wie Schemen aus grauem Nebel. Die Stufen waren in einem großen Kreis um ihn herum versengt.
    Und Bruder war verschwunden.
    Als sich Tobin umsah, nahm er die bestürzten, stummen Umstehenden nicht wahr, nur den Umstand, dass sein Zwilling weg war. Er spürte es auch; eine schmerzliche Leere erfüllte ihn. Es hatte kein Lebewohl zwischen ihnen gegeben, keine Abschiedsworte. Er hatte Bruder von seinem Körper losgeschnitten, und der Geist hatte ihn verlassen. Tobin konnte es noch kaum begreifen.
    »Tob?« Eine warme Hand umfasste seinen Ellbogen und half ihm, sich aufzusetzen. Es war Ki.
    Tobin griff nach ihm, dann erstarrte er entsetzt und starrte auf die seltsame Haut, die seinen Arm bedeckte. Von den Fingerspitzen bis zur Schulter hing sie in losen, farblosen Fetzen an ihm wie ein verrotteter Handschuh. Am restlichen Körper zeigte sich dasselbe Bild; seine Haut schälte sich, aufgeplatzt durch die grauenhafte Magie, die er entfesselt hatte. Behutsam rieb er sich über den Unterarm, und Flocken bröckelten davon ab. Darunter kam glatte, unversehrte Haut zum Vorschein. Das weinfarbene Weisheitsmal war noch vorhanden und kam deutlicher denn je zuvor zur Geltung.
    Er beugte die Finger, rieb sich die Hände und strich über seine Arme, streifte die alte Haut wie eine Schlange im Frühling ab. Dann wiederholte er den Vorgang im Gesicht und spürte, wie sich eine dünne, trockene Maske löste, unter der die halbmondförmige Narbe am Kinn sichtbar blieb. Sein Haar hatte das Feuer verschont, die Kopfhaut darunter hingegen blätterte ab.
    Tobin fuhr sich mit den Händen über die Brust hinab und hielt inne; nun erst begann er zu begreifen, was geschehen war. Die alte Haut, die seine Brust noch bedeckte, spannte sich straff, wölbte sich wie …
    Wie beim Körper einer jungen Frau.
    Schaudernd streifte Tobin die alte Hülle ab und starrte auf ihre kleinen Brüste hinab.
    Nur am Rande nahm Tobin das anschwellende Gemurmel ringsum wahr, als sie sich erhob und an sich hinabblickte. Ihre Geschlechtsteile eines Jungen waren zu einem trockenen Schorf verschrumpelt. Sie zog an der losen Haut darüber, und sie lösten sich und fielen von ihr ab.
    Ki drehte sich mit einer Hand über dem Mund weg, und sie hörte, wie er würgte.
    Langsam wurde die Welt um sie herum grau. Sie spürte die Treppe unter den Füßen nicht mehr. Dann war Tharin bei ihr, wickelte sie in einen Mantel und hielt sie aufrecht. Auch Ki kehrte zurück, schlang einen Arm fest um ihre Mitte. »Alles in Ordnung. Ich hab dich.«
    Dann kamen Arkoniel und die Priester. Der Mantel musste geöffnet, eine Untersuchung vorgenommen werden. Tobin richtete die Augen auf den Himmel über ihren Köpfen, zu betäubt, um etwas zu empfinden.
    »Es ist alles gut, Tob«, murmelte Ki.
    »Nicht … Tobin«, flüsterte sie. Ihre Lippen fühlten sich so wund wie ihre Kehle an.
    »Ja, sie braucht jetzt einen Frauennamen«, pflichtete Kaliya ihr bei.
    Arkoniel entfuhr ein leises Stöhnen. »Darüber haben wir nie gesprochen!«
    »Ich weiß einen«, krächzte Tobin. Die Geisterköniginnen waren wieder bei ihr. »Tamír, die Königin, die gemeuchelt und verleugnet wurde. Sie kam zu mir, bot mir das Schwert an. Ihr Name …« Der graue Nebel lichtete sich, und Tränen brannten ihr in den Augen. »Und Ariani, denn meine Mutter hätte herrschen sollen. Und Ghërilain, für Illior und Skala.«
    Die Geisterköniginnen verneigten sich vor ihr, dann steckten sie die Schwerter in die Scheiden und verblassten.
    Die Priesterin nickte. »Tamír Ariani Ghërilain. Möge der Name dir Kraft und Glück bescheren.« Dann wandte sie sich der wieder verstummten Menge zu und rief: »Ich lege geheiligtes Zeugnis ab! Sie ist eine Frau und weist dieselben Male und Narben auf.«
    »Ich lege Zeugnis ab«, sprach die Priesterin Astellus' ihr nach, gefolgt von den anderen.
    »Ich rufe euch alle dazu auf, Zeugnis abzulegen«, brüllte Arkoniel der Menge

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