Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Fürst namens Melnoth, zum Zeitvertreib bei, indem sie Geschichten über Kämpfe gegen Seeräuber und Plenimarer in jenen Gewässern austauschten, und über die geheiligte Insel Kouros, wo der erste Priesterherrscher und sein Volk an Land gegangen und ihren Hof errichtet hatten.
»Dort kann man die Magie selbst in den Steinen spüren, Jungs«, sagte Porion »Und es ist keine den Vieren bekannte Magie.«
»Das liegt daran, dass die Altvorderen ihre Zauber überall in die Felsen geritzt und in die Höhlen über der Brandung gemalt haben«, meldete sich Melnoth zu Wort. »Der Priesterherrscher brachte die Verehrung der Vier über das Wasser mit, konnte jedoch die alten Mächte nicht verdrängen, die dort immer noch hausen. Angeblich hat sein Sohn den Hof deshalb nach Benshâl verlegt.«
»Ich hatte dort immer seltsame Träume«, verriet Tharin.
»Aber findet man dieselben Zeichen nicht überall entlang der Küste auf den Felsen?«, fragte Korin. »Die Altvorderen haben rings um das Innere Meer gelebt.«
»Die Altvorderen?«, meldete sich Tobin zu Wort.
»Die Hügelstämme, wie man sie inzwischen nennt«, erklärte Porion. »Kleine, dunkle Menschen, die den alten Traditionen der Totenbeschwörung frönen.«
»Sie sind auch hervorragende Diebe«, fügte einer von Korins Gardisten hinzu. »Anständige Leute haben sie früher wie Ungeziefer gejagt.«
»Ja, das haben wir getan«, bestätigte der alte Laris, sah dabei jedoch traurig aus.
»Solange diejenigen, die von ihnen übrig sind, in den Bergen bleiben, geschieht ihnen nichts«, meinte Korin so selbstgerecht, als hätte er sie eigenhändig verjagt.
Andere fügten eigene Geschichten hinzu. Das Hügelvolk opferte seiner bösen Göttin junge Männer und Kinder. Diese Leute paarten sich bei bestimmten Monden wie Tiere auf den Feldern und aßen ihr Fleisch immer roh. Ihre Hexen konnten sich nach Belieben in Tiere und Dämonen verwandeln, töten, indem sie durch einen hohlen Ast bliesen, und die Toten heraufbeschwören.
Tobin wusste, dass es Lhels Volk war, von dem sie sprachen. Er musste die Lippen zusammenpressen, um sich davon abzuhalten, Einwände zu erheben, als einige der älteren Soldaten von Verhexungen und Welkflüchen redeten; Ki war anzusehen, dass es ihn ebenso unglücklich machte, derlei Geschichten zu hören. Tobin liebte die Hexe, die ihm bereits zweimal das Leben gerettet hatte. Lhel war bloß eine Heilerin, eine Kräuterhexe, und sie war ihnen beiden eine weise Freundin.
Dennoch konnte er nicht leugnen, dass sie bei ihrer Magie Blut und Splitter von Bruders Knochen verwendet hatte. Das schien tatsächlich Totenbeschwörung zu sein, wenn er genauer darüber nachdachte. Ein flüchtiges Bild tauchte vor seinem geistigen Auge auf: eine in Feuerlicht aufblitzende Nadel und Bruders blutige Tränen, die durch die Luft herabfielen. Die Bindungsnarbe begann zu jucken, und Tobin musste darüber reiben, damit es aufhörte.
»Es gibt reichlich anständige skalanische Familien, die ein paar Tropfen jenes Blutes in den eigenen Adern vorfinden würden, wenn sie ihre Großmütter frugen«, sagte Tharin. »Was die Magie angeht, hätte ich wohl auch eingesetzt, was immer mir zur Verfügung stand, wenn eine Rotte Fremder beschlossen hätte, mir mein Land wegzunehmen. Und der Rest von euch hätte dasselbe getan.«
Dafür erntete er nur vereinzeltes, widerwilliges Nicken, aber Tobin war ihm dankbar für die Worte. Lhel sprach stets in höchsten Tönen über Tharin. Tobin fragte sich, was er von ihr halten würde.
Die Straße wand sich allmählich ins Landesinnere und führte sie durch dichtes Waldgebiet weit vom Geräusch des Meeres weg. Mitte des Nachmittags ließ Tharin den Tross anhalten und deutete auf zwei Granitsäulen zu beiden Seiten der Straße. Sie waren verwittert und von Moos überwuchert, dennoch erkannte Tobin noch die Umrisse einer verzweigten Eiche, die darin eingemeißelt waren.
»Weißt du, was das ist?«, fragte Tharin.
Tobin zog den Eichensiegelring seines Vaters hervor; das Muster war dasselbe. »Das ist die Grenze, nicht wahr?«
»Reite voran und betritt dein Land, Vetter«, forderte Korin ihn grinsend auf. »Heil Tobin, Sohn des Rhius, Prinz von Ero und rechtmäßiger Spross Atyions!«
Der Rest der Gesellschaft stimmte Jubel an und klopfte auf die Schilde, während Tobin Gosi vorantrieb. Er fühlte sich ob all des Aufhebens albern; beiderseits der Grenze befand sich dichter Wald. Einige Meilen weiter jedoch endete das Waldgebiet, und die
Weitere Kostenlose Bücher