Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
die ›Jungen‹ oder ›Burschen‹ sein. »Ich war gerade bei ihm. Der Brief, den er bekam, stammt von Tobin. Er ließ ihn mich lesen.«
»Und was hatte Tobin zu sagen?«
»Er behauptet, sich in ein Mädchen verwandelt zu haben. Erklärung bot er keine, er gab nur an, Zeugen zu haben, darunter einige Priester aus Afra und einen Großteil der Bewohner Atyions.«
»Was glaubst du?«
»Ich weiß es nicht.« Caliel spielte an dem Ring. »So unvorstellbar es klingt, es ergibt mehr Sinn, als dass sich Tobin in einen Verräter verwandelt hat, findet Ihr nicht?«
Porion fuhr sich mit der Hand über den kurzen, grauen Bart und seufzte. »Du bist jung und hast ein gutes Herz. Und dank Erius habt ihr Jungen zu lange ein geschütztes Leben geführt. Ich habe zwei Königinnen und einen König überlebt und gesehen, wozu Menschen imstande sind, wenn große Macht im Spiel ist. Auch ich habe über Tobin nachgedacht. Ich fand es immer merkwürdig, dass er den Großteil seines Lebens vom Hof ferngehalten wurde und in geheimer Abgeschiedenheit aufwuchs.«
»Aber sein Vater war ein ehrenwerter Mann, der Erius sein Leben lang gedient hat.«
Porion nickte. »Ich kannte Rhius von Kindesbeinen an und hätte ihn nie für solche Ränke fähig gehalten. Allerdings zog er sich nach seiner Vermählung zurück, nach der Geburt des Kindes noch mehr. Soweit wir wissen, haben er und diese Zauberin alles von Anfang an geplant, um Vergeltung dafür zu üben, dass Erius Arianis Platz auf dem Thron einnahm.«
Caliel verlagerte unbehaglich das Gewicht auf dem Stuhl. »Ich bin nicht gekommen, um über Tobin zu reden. Findet ihr, dass sich Korin wie er selbst verhält?«
Porion ergriff seine Schwertscheide und holte aus einer Kiste unter dem Bett eine Flasche mit Nerzöl hervor. Moschusartiger Geruch stieg zwischen ihnen auf, als er das Öl in das zernarbte Leder einrieb. »Du bist länger als jeder andere Korins Freund, aber er ist und war nie nur dein Freund. Er ist der König. Mir hat nicht alles gefallen, was sein Vater tat, und bestimmt lag mir nicht viel an seiner Großmutter, aber die Krone ist die Krone, und Pflicht ist Pflicht. Korin ist jung und unerfahren, das stimmt, aber du weißt, welcher Wert in ihm steckt.«
»Ihr kennt ihn so gut wie ich, Porion. Wir haben beide auch seine Schwächen gesehen – das Trinken und …« Caliel presste die geballten Fäuste gegen die Knie. Ihm widerstrebte zutiefst, was er als Nächstes sagen musste. »Er ist nicht gut im Kampf. Und das galt nicht nur für jenes erste Mal gegen diese Banditen. In Ero hätte er uns alle beinah umgebracht, und dann ließ er sich von diesem verfluchten Zauberer zur Flucht überreden!«
Porion arbeitete weiter. »Bei manchen dauert es länger.«
»Tobin …«
Porion schaute jäh auf, und Caliel war bestürzt über die plötzliche Wut in den Augen seines alten Lehrmeisters. »Das reicht, Caliel. Ich will nichts davon hören, dass du die beiden miteinander vergleichst. Korin ist der König, und damit basta. Ich habe seinem Vater gedient, und jetzt diene ich ihm. Wenn du denkst, dass du das nicht kannst, ist es am besten, wenn ich es jetzt erfahre.«
»Das habe ich nicht gesagt! Ich liebe Korin und würde mein Leben für ihn geben. Aber ich kann nicht länger mit ansehen, wie diese Schlange vernichtet, was noch von ihm übrig ist. Bei Bilairys Hintern, Porion, Ihr wollt mir doch nicht etwa einreden, dass diese große Freundschaft zwischen den beiden natürlich ist, oder? Wie könnt Ihr Abend für Abend in der großen Halle sitzen, wo Ihr diesen Hundesohn an Tobins Platz seht …«
»Schon wieder Tobin, wie?« Ruhig musterte ihn Porion. »Du hast den Namen oft auf den Lippen, junger Mann.«
Caliel erstarrte. Porion war ihm, seit er ein Knabe war, Schwertmeister, Freund und ein guter Lehrer gewesen. Nun musterte er ihn mit demselben Argwohn wie zuvor Korin, wog sein Verhalten ab.
»Etwas stimmt daran nicht, Porion, das versuche ich damit zu sagen.«
»Die Zeiten ändern sich, Junge. Aber die Krone ist die Krone, und Pflicht ist Pflicht. Du bist alt genug, das zu verstehen.«
»Wollt Ihr damit sagen, ich soll den Mund halten und Fürst Niryn gewähren lassen?«
»Wen der König als Berater auswählt, ist seine Sache. Das Beste, was du tun kannst, ist, ihm beizustehen. Kannst du mir in die Augen schauen und schwören, dass du ihm treu ergeben bist?«
Caliel begegnete dem Blick des alten Mannes, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich schwöre bei der Flamme und allen
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