Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
das Gesicht wusch oder sich das Haar kämmte, wünschte er mehr denn je, alles wäre so geblieben wie damals, als sie Kinder waren. Zu jener Zeit hatte es zwischen ihnen keine Schatten, keine Zweifel gegeben. Er konnte Tobin ansehen oder berühren, ohne all diesen inneren Aufruhr zu verspüren. Ki zweifelte keinen Augenblick an der Liebe zwischen ihnen, aber es war nicht die Art von Liebe, die Tamír wollte oder verdiente.
All das behielt er in seinem Herzen verschlossen, da er wusste, dass sie ihn stark und mit klarem Kopf brauchte, nicht trübselig und grüblerisch wie einen Gedichte lesenden Höfling. Trotz aller Bemühungen seinerseits hatten die anderen in jener Nacht im Gästehaus genug gehört, um ihnen Sorgen zu bereiten. Niemand sprach Ki unmittelbar darauf an, doch er ertappte sie häufig dabei, ihn und Tamír zu beobachten.
Arkoniel verkörperte ein beinah ebenso großes Rätsel wie Tamír. Wenngleich er unverkennbar nach wie vor unglücklich über Iyas Verbannung war, schienen er und Tamír sich besser zu verstehen als seit Monaten. Er ritt täglich neben ihr, wobei er von seinen Zauberer und ihrer Magie sowie von der neuen Hauptstadt redete, die Tamír zu errichten plante. Sie hatte ihre Träume von einem Ort an der Westküste Ki gegenüber bereits zuvor erwähnt, aber etwas an ihrer Vision in Afra hatte ihre Vorstellungskraft entfesselt, und Arkoniel schien erpicht darauf, ihr Vorhaben ungeachtet der offensichtlichen Erschwernisse eines solchen Ortes zu unterstützen.
Ki waren jene Schwierigkeiten ohnehin einerlei. Er wusste nur, dass die Traurigkeit aus ihren Augen wich, wenn sie von der Stadt und ihrem Ansinnen sprach, daraus eine prächtigere Ortschaft als Ero zu machen. Denselben Gesichtsausdruck hatte sie früher immer, wenn sie an einer neuen Zeichnung für einen Ring oder einen Brustpanzer arbeitete. Sie war immer am glücklichsten, wenn sie eine neue Schöpfung ausbrütete.
Arkoniel war viel gereist und wusste über Abwasserleitungen so fachkundig zu reden wie über Magie. Saruel erzählte von den Städten in Aurënen und den Neuerungen, die man dort zur Belüftung und Heizung einsetzte. Besonders geschickt schienen die Aurënfaie bei allem zu sein, was mit Baden zu tun hatte. Dem widmeten sie eigene Kammern mit Kanälen für erhitztes Wasser und erhöhten Fliesenböden, die man von unten beheizen konnte. Einige der größeren Häuser besaßen Badebecken, die groß genug für ganze Menschenmengen waren. Anscheinend wurden dort sogar Geschäfte geführt.
»Hört sich so an, als verbringe Euer Volk mehr Zeit mit Baden als mit allem anderen«, bemerkte Una grinsend.
»Jedenfalls mehr als Skalaner«, gab Saruel schlagfertig zurück. »Es dient nicht nur der Sauberkeit, sondern ist auch gut für den Geist. Zusammen mit dem Durchkneten des Körpers und den richtigen Kräutern ist es obendrein heilsam. Meiner Erfahrung nach riechen die Aurënfaie nicht nur besser, sie sind auch gesünder.«
Darüber kicherte Nikides. »Soll das heißen, wir stinken?«
»Ich äußere lediglich eine Tatsache. Tamír, wenn Ihr Eure neue Stadt errichtet, könnte es von Vorteil sein, anständige Badeanstalten für alle vorzusehen, nicht nur für die bevorzugten Klassen. Schickt Eure Bauleute nach Bôkthersa, um sich dort etwas anzueignen. An diesem Ort ist man besonders gut in derlei Dingen.«
»Ich hätte nichts dagegen, selbst hinzureisen, wenn dort alle so aussehen wie Solun und sein Vetter«, murmelte Una, und weitere Mitglieder der Gefährten nickten dazu.
»Ah, ja.« Saruel lächelte. »Selbst unter den Aurënfaie gelten sie als besonders gut aussehend.«
»Ich muss Aurënen unbedingt besuchen«, meinte Tamír mit einem kleinen Lächeln. »Um etwas über die Bäder zu erfahren, natürlich.«
Das entlockte allen ein unverhohlenes Lachen. Allen außer Ki. Ihm war nicht entgangen, wie viel Augenmerk sie dem gut aussehenden Aurënfaie geschenkt hatte. Damals hatte er versucht, es nicht zu beachten, aber sie auf diese Weise vor allen anderen Witze reißen zu hören, jagte einen neuerlichen Anflug von Eifersucht durch ihn. Er schüttelte das Gefühl ab, doch er musste sich der Tatsache stellen, dass sie jemanden heiraten musste, und zwar bald. Ki versuchte, es sich vorzustellen, und konnte es nicht. Alles, was ihm durch den Kopf ging, war, wie sie Solun angehimmelt hatte, und dass Ki den Burschen samt seinem schönen Gesicht darob am liebsten aus dem Raum getreten hätte.
Und dennoch kann ich sie nicht
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