Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
kunstvoll gefertigten Ledergürtel. Das lange, graue Haar hing gekämmt und offen über die Schultern, wodurch sie jünger und weniger streng als sonst wirkte. Über einem Arm trug sie mehrere Kleider.
»Hallo, Una. Guten Morgen, Hoheit. Ki hat mir gesagt, dass Ihr bereits wach seid. Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen«, sagte Iya förmlich.
Tamír zuckte mit den Schultern und beäugte argwöhnisch die Kleider.
Iya lächelte, hielt sie hoch und wurde ungezwungener. »Ich bin gekommen, um dir beim Ankleiden zu helfen.«
»So etwas werde ich auf keinen Fall tragen!«
»Ich fürchte, das musst du. Es gehen bereits genug Gerüchte um, die besagen, du wärst bloß ein Junge, der Mädchen spielt, ohne dass du sie noch schürst. Bitte, Tamír, du musst mir in dieser Sache vertrauen. Es ist keine Schande, ein Kleid zu tragen, oder, Una? Bei dir hat es auch nicht verhindert, dass du Soldatin geworden bist.«
»Nein, Frau Iya.« Una warf einen entschuldigenden Blick zu Tamír.
Doch es steckte noch zu viel Tobin in Tamír, um einfach so nachzugeben. »Ki und Tharin werden sich vor Lachen gar nicht mehr einkriegen – und der Rest meiner Garde auch nicht! Verdammt, Iya, ich habe mein Leben lang Hosen getragen. Ich werde über die Röcke stolpern. Und in Frauenschuhen werde ich mir die Knöchel verstauchen und wie ein Tor aussehen!«
»Umso mehr Grund, sich jetzt daran zu gewöhnen, bevor du eine große Schar von Adeligen und Generälen beeindrucken musst. Komm, mach kein solches Aufhebens darum.«
»Ich werde nicht in einem Kleid reiten«, warnte Tamír. »Und ganz sicher werde ich nicht im Damensitz reiten! Ich gebe einen Dreck drauf, was die Leute sagen.«
»Sollte sich eine Prinzessin eines solch derben Sprachgebrauchs befleißigen?«, fragte Una und versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, was ihr völlig misslang.
»Eins nach dem anderen«, erwiderte Iya. »Außerdem haben ihre Großmütter allesamt geflucht wie Rohrspatzen. Königin Marnil kannte Ausdrücke, die hartgesottenen Generälen die Schamesröte ins Gesicht trieben. Heute richten wir unser Augenmerk auf das Erscheinungsbild. Tamír, Herzogin Kallia schickt ihren Damenschneider zu dir. Sie war so freundlich, dir inzwischen einige der Kleider ihrer ältesten Tochter zu leihen. Ihr beide habt etwa dieselbe Größe.«
Tamír errötete, als sie das Nachthemd abstreifte, und fühlte sich so lachhaft wie noch nie, als Iya und Una ihr in Leinenunterwäsche halfen und ihr ein schweres, grünes Satinkleid über den Kopf stülpten.
»Sag mal, was du von diesem hältst, bevor wir es zuschnüren«, forderte Iya sie auf und drehte sie dem Spiegel zu.
»Ich hasse es!«, fauchte Tamír und würdigte sich kaum eines Blickes.
»Ich gebe zu, die Farbe steht dir nicht gut zu Gesicht. Sie lässt dich blass aussehen. Aber irgendetwas musst du anziehen, und das ist alles, was wir haben.«
Tamír verwarf ein Kleid nach dem anderen, bis sie letztlich widerwillig einem Jagdkleid aus dunkelblauer Wolle mit hohem Kragen zustimmte, vorwiegend deshalb, weil es schlichter war als die anderen, vorne kürzer und weiter geschnitten, wodurch es mehr Bewegungsfreiheit bot. Die Spitzenärmel waren an den Schultern angebunden, sodass sie auch die Arme einfach bewegen konnte. Zudem gestattete ihr der Stil, dazu ihre Stiefel statt der weichen Schuhe anzuziehen, die Iya mitgebracht hatte. Nachdem Una es zugeschnürt hatte, war das Oberteil immer noch lose, aber insgesamt fühlte es sich keineswegs so ungemütlich an, wie Tamír erwartet hatte.
»Ich glaube, das hier gehört dazu.« Iya reichte ihr einen Ledergürtel mit Blätter- und Blumenprägung. Befestigt wurde er mit einer goldenen Schnalle. Der Gürtel hing tief an ihren schmalen Hüften, und ein langes Ende mit goldener Spitze reichte ihr vorne bis auf die Knie hinab. Tamír hob es an und bewunderte beeindruckt die Handwerkskunst. »Das sieht mir nach Ylani-Arbeit aus.«
»Du hattest schon immer ein Auge für schöne Dinge.« Una zog den Schwertanhänger hervor, den Tamír vor einigen Jahren für sie angefertigt hatte. »Stellst du immer noch Schmuck her?«
Tamír schaute auf, verdrossen darüber, dabei ertappt worden zu sein, etwas an dieser lachhaften Aufmachung zu mögen. »All mein Werkzeug ist in Ero verloren gegangen.«
»Ich bin sicher, du kannst neues bekommen«, meinte Iya. »Du besitzt die Begabung dafür und solltest sie nicht vernachlässigen. Und nun, Una, sieh bitte zu, was du mit diesen Haaren machen kannst. Da
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