Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
kommen. Zumindest hoffe ich das.« Er zog den Fensterladen wieder auf und richtete einen erwartungsvollen Blick auf Lutha.
»Ich schwöre dir, wenn du mich fallen lässt, suche ich dich als Geist heim!«
»In Ordnung. Und jetzt beeil dich, bevor wir alles verpassen.«
Caliel löschte die Lampe. Lutha erklomm den Hocker und zwängte sich durch die schmale Öffnung. Selbst er passte kaum hindurch, doch sobald er es mit den Schultern geschafft hatte, ging es mühelos weiter. Mit Caliels Armen fest um seine Oberschenkel gelang es ihm, sich von der Mauer wegzudrücken und sich auf Korins Fenster zuzuwinden. Ich muss wie eine Raupe auf einem Zweig aussehen, dachte er mürrisch, während er jeden Muskel anspannte.
Das Fenster von Korins Schlafgemach befand sich nur ein kleines Stück entfernt. Indem er sich seitwärts drehte und den Rand des Mauerwerks der Schießscharte dort erfasste, gelange er nah genug hin, um zu hören, was im Inneren vor sich ging, wenngleich er ob des Winkels nur einen winzigen Ausschnitt einer mit Behängen geschmückten Wand erkennen konnte. Der Wind wehte günstig. Er konnte die Stimmen deutlich vernehmen.
„… Kunde von Eurer Base, der königlichen Prinzessin Tamír von Ero und Atyion.«
»Du bist schlecht unterrichtet, Herold. Es gibt diese Prinzessin nicht.«
Lutha unterdrückte ein überraschtes Grunzen. Das war Niryns Stimme, nicht jene Korins.
»Verzeiht, Majestät«, erwiderte der Bote rasch, wobei er sich verängstigt anhörte. »Ich wurde beauftragt, Euch auszurichten, dass Euch Eure Base liebende Grüße sendet. Darf ich die Botschaft verlesen?«
»Nur zu«, sagte Korin.
Lutha hörte das Rascheln von Pergament, dann die klare Stimme des Herolds in seiner offiziellen Eigenschaft.
»›An Prinz Korin, meinen geliebten Vetter und Bruder. Ich weiß, dass Du üble Kunde über mich erhalten hast, Korin, und darüber, was geschehen ist. Ich kann mir vorstellen, wie schwer es zu glauben sein muss, dennoch ist es wahr. Ich bin ein Mädchen, trotzdem dieselbe Verwandte, die Du immer gekannt hast. Du brauchst Dich nur mit mir zu treffen, um den Beweis zu sehen. Der Hohepriester von Afra und die meisten Menschen in Atyion haben die Verwandlung bezeugt und können sich für mich verbürgen. Ich schreibe Dir nun in meiner wahren Gestalt, als Tamír, Tochter der Ariani und des Rhius, Sprössling Atyions. Mein Siegel legt Zeugnis davon ab.‹«
Lutha stockte der Atem. Das hörte sich zweifellos nach Tobins Ausdrucksweise an, und er behauptete, namhafte Zeugen zu haben.
»›Es tut mir leid, dass ich Dich und die anderen belügen musste‹«, fuhr der Herold fort. »›Ich weiß es selbst erst seit wenigen Jahren, dennoch war es hart, das Geheimnis vor meinen Freunden zu bewahren. Ich hatte nie vor, Dich zu verraten, und als ich den Gefährten beitrat, wusste ich es noch nicht, das schwöre ich bei der Flamme. Ich habe weder Dir noch Deinem Vater je etwas zuleide getan, obwohl er großes Ungemach über meine Mutter und ihre Verwandtschaft gebracht hat, ob Du es glauben willst oder nicht. Meine Mutter hätte Königin sein und ich hätte es nach ihr werden sollen. Es bricht mir das Herz, Dir dies zu schreiben, Korin, aber Dein Vater hat einen Fluch für das Land heraufbeschworen – einen Fluch, den aufzuheben meine Bürde ist.
Ich will Dir nichts Böses, Vetter. Das könnte ich gar nicht. Du warst stets freundlich zu mir. Ich habe Dich immer wie einen Bruder geliebt und werde es immer tun. Spielt es zwischen uns eine so große Rolle, wer die Krone trägt? Du bist ein rechtmäßiger Prinz von Skala. Ich möchte Dich an meiner Rechten, an meinem Hof wie auf dem Schlachtfeld. Das Erbe Deiner Kinder wird gesichert sein.
Bitte, verhandle mit mir. Ich möchte die Dinge zwischen uns richtigstellen.«
Der Herold verstummte kurz. »Verzeiht, Majestät, das Schriftstück ist wie folgt unterfertigt: › Deine liebende Base und Schwester, Prinzessin Tamír, die einst Tobin war.‹«
»Ich verstehe.« Etwas in Korins Stimme versetzte Lutha einen Stich im Herzen. Er klang traurig, nicht wütend.
»Völliger Humbug und üble Hinterlist!«, fuhr Niryn scharf dazwischen. »Majestät, Ihr könnt unmöglich …«
Korin murmelte etwas so leise, dass Lutha es nicht verstehen konnte.
»Majestät?«
»Ich sagte, lasst mich allein! Alle beide!«, brüllte Korin mit solchem Nachdruck, dass Lutha wahrscheinlich abgestürzt wäre, hätte Caliel ihn nicht nach wie vor mit festem Griff gehalten. Sein Freund zog
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