Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
seinen Gefährten.
»Wenn sie immer noch nicht bemerkt haben, daß wir heute nicht weiterziehen, muß man langsam an ihrem Verstand zweifeln«, brummte Kalten.
»Ja, es sieht doch wirklich so aus, als hätten wir uns hier häuslich niedergelassen«, bestätigte Ulath.
»Darf ich einen Vorschlag machen, Sperber?« fragte Tynian.
»Warum fragst du das immer?«
»Gewohnheit vermutlich. Man hat mich gelehrt, zur Obrigkeit höflich zu sein. Nun – selbst der beste Zauber wird uns nicht soviel Licht spenden, wie wir's jetzt haben, ehe die Sonne untergeht. Wir wissen, daß die anderen da draußen sind. Wir sind in Stellung und ausgeruht. Warum beschleunigen wir das Ganze nicht ein bißchen? Wenn wir sie dazu bringen können, jetzt anzugreifen, können wir bei Tageslicht kämpfen.«
»Wie wollt Ihr jemanden dazu bringen, anzugreifen, wenn er es nicht will?« fragte Emban.
»Wir beginnen mit unmißverständlichen Vorbereitungen, Eminenz«, erklärte Tynian. »Es ist ohnehin logisch, jetzt mit den Befestigungsarbeiten anzufangen. Richten wir die Palisade rund um den Fuß des Hügels auf und beginnen damit, Gräben auszuheben.«
»Und Bäume zu fällen«, flocht Ulath ein. »Wir könnten eine Lichtung freiräumen und mit den Stämmen einige strategische Punkte im Wald versperren. Damit zwingen wir den Gegner, auf offenem Gelände anzugreifen.«
Sie schafften es in erstaunlich kurzer Zeit. Die Pfähle für die Palisade waren bereits zugespitzt und griffbereit aufgestapelt. Sie in den Boden zu rammen, war einfach. Die Birken, deren Stämme kaum dicker als zehn Zoll waren, fielen rasch unter den Äxten der Krieger und konnten ohne größere Schwierigkeiten in den Wald ringsum gezogen und so übereinander geworfen werden, daß Hindernisse entstanden, die selbst für Fußsoldaten schier unüberwindlich waren.
Sperber und seine Getreuen kehrten zur Hügelkuppe zurück, wo sie die Vorbereitungen überblicken konnten. »Warum greifen sie jetzt nicht an, ehe wir fertig sind?« fragte Emban die Ritter nervös.
»Weil sich ein Angriff nicht so schnell organisieren läßt, Eminenz«, erklärte Bevier. »Zuvor müssen die Kundschafter zurück, um ihren Generälen zu melden, was wir tun; dann kommen die Generäle durch den Wald nach vorn, um sich zu vergewissern, und danach setzen sie eine Besprechung an, bei der sie sich über den nächsten Schritt einig werden müssen. Sie hatten einen Hinterhalt geplant und sind nicht darauf vorbereitet, befestigte Stellungen anzugreifen. Sie werden die meiste Zeit darauf verwenden müssen, sich auf die taktisch neue Situation einzustellen.«
»Wie lange werden sie brauchen?«
»Das hängt ganz davon ab, was für ein Mann ihr Befehlshaber ist. Wenn er ganz und gar auf einen Hinterhalt eingestellt war, brauchen sie vielleicht eine volle Woche.«
»Bis dahin ist er tot, Bevier-Ritter«, versicherte Engessa dem Cyriniker. »Gleich als wir die Krieger im Wald entdeckt hatten, habe ich ein Dutzend meiner Leute zur Garnison in Sarsos entsandt. Falls unser Gegner länger als zwei Tage benötigt, um eine Entscheidung zu fällen, hat er fünftausend Ataner am Hals.«
»Sehr umsichtig, Atan Engessa«, lobte Tynian. Nachdenklich blickte er Sperber an. »Solange unsere Freunde da draußen von Unentschlossenheit gelähmt sind, können wir unsere Befestigungsanlagen rund um den Hügel ausweiten – Gräben, zugespitzte Pflöcke, die üblichen Hindernisse. Jede Verbesserung, die wir vornehmen, wird den Gegner nur noch mehr ins Grübeln bringen. Das wiederum bringt uns zusätzliche Zeit für weitere Befestigungen, die ihm noch mehr zu denken geben werden. Wenn wir den Gegner dazu bringen können, zwei Tage lang zu überlegen, überraschen ihn die Ataner aus Sarsos von hinten und reiben ihn auf, bevor er dazu kommt, sich gegen uns zu wenden.«
»Das hat viel für sich.« Sperber nickte. »Machen wir uns an die Arbeit.«
»Ich dachte immer, ein Soldatenleben bestünde aus nichts anderem, als mit Äxten und Schwertern auf Feinde einzuhauen«, sagte Emban.
Ulath lächelte. »Auch das muß ein Soldat in reichem Maße, Eminenz. Aber es schadet nie, wenn man dem Feind auch mit List und Tücke zu Leibe rückt.« Er blickte Bevier an. »Maschinen?«
Bevier runzelte die Stirn. Aus irgendeinem Grund überraschten ihn Ulaths rätselhafte Fragen immer wieder.
»Wenn wir genug Zeit haben, können wir auf der Kuppe ein paar Katapulte errichten. Es bringt die Reihen des Feindes durcheinander, wenn beim Angriff
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