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Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Titel: Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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Felsbrocken auf ihn herabhageln, und von einem fünfzigpfündigen Stein auf den Kopf getroffen zu werden, lähmt die Konzentration. Wenn wir uns auf eine Belagerung einrichten, sollten wir keine halben Sachen machen.« Er ließ den Blick über die Gefährten schweifen. »Aber trotzdem hasse ich Belagerungen!«
    Die Krieger machten sich an die Arbeit, und die Damen und jungen Männer unter dem Baldachin setzten ihre Feier fort, auch wenn ihrer Heiterkeit mehr und mehr die Inspiration fehlte.
    Sperber und Kalten verstärkten die Brustwehr auf der Kuppe. Da die Königin und ihre Tochter sich innerhalb dieser Befestigung aufhalten würden, war sie dem Prinzgemahl besonders wichtig.
    Die Unterhaltung unter dem Baldachin kam nun immer öfter ins Stocken, und Stragen sah sich noch häufiger genötigt, die Pausen mit seiner Laute zu füllen.
    »Er wird sich die Finger wund klimpern«, brummte Kalten und fügte einen weiteren Felsbrocken in die Brustwehr.
    »Stragen genießt die Aufmerksamkeit.« Sperber zuckte die Schultern. »Solange noch jemand da ist, der ihm zuhört, wird er spielen, selbst wenn ihm das Blut unter den Nägeln hervorrinnt.«
    Die Laute nahm eine uralte Melodie auf, und Stragen begann wieder zu singen. Sperber war nicht sehr musikalisch, doch er mußte zugeben, daß der thalesische Diebeskönig eine schöne Stimme hatte.
    Und dann fiel Baroneß Melidere ein. Ihre Stimme war ein herrlicher Alt, der wundervoll mit Stragens Bariton harmonierte. Sperber lächelte insgeheim. Die Baroneß setzte ihren Eroberungsfeldzug fort. Seit Aphrael Sperber auf die Absicht des blonden Mädchens aufmerksam gemacht hatte, fielen ihm Dutzende geschickter kleiner Tricks auf, deren Melidere sich bediente, um sich der Aufmerksamkeit ihres Opfers zu versichern. Fast tat Stragen ihm leid, doch er mußte zugeben, daß Melidere die Richtige für ihn sein würde. Das Duett erntete stürmischen Beifall. Als Sperber zum Baldachin blickte, sah er, wie Melidere eine Hand beinahe liebkosend auf Stragens Handgelenk legte. Sperber wußte, welche Wirkung diese scheinbar unbeabsichtigten Berührungen haben konnten. Lillias hatte es ihm einmal erklärt, und sie war bestimmt die meisterlichste Verführerin der Welt gewesen – was vermutlich die halbe männliche Bevölkerung von Jiroch hätte beschwören können.
    Dann begann Stragen ein weiteres altes Lied, und diesmal fiel eine andere Stimme ein. Kalten ließ den Stein fallen, den er soeben hochgehoben hatte, und obwohl dieser schmerzhaft auf seinem Fuß landete, verzog er keine Miene. Die Stimme war die eines Engels, hoch, süß, und klar wie Kristall. Mühelos stieg sie zu den höchsten Soprantönen empor, weich und schmelzend und frei von den verspielten Variationen der Koloratur. Die Stimme klang so natürlich wie Vogelgesang.
    Sie gehörte Ehlanas Kammermaid Alean. Das rehäugige Mädchen, das für gewöhnlich so still war und sich stets im Hintergrund hielt, stand jetzt in der Mitte der baldachinüberdeckten Mulde, und ihr Gesicht leuchtete, während sie sang.
    Sperber hörte, wie Kalten die Nase hochzog und sah erstaunt, daß Tränen über das Gesicht seines Freundes liefen.
    Möglicherweise hatte das Gespräch, das Sperber vor kurzem mit der Kindgöttin geführt hatte, seine intuitiven Fähigkeiten wachgerüttelt. Er wußte plötzlich, ohne genau sagen zu können, wie er es wußte, daß zwei Eroberungsfeldzüge im Gange waren –, und außerdem, daß der von Baroneß Melidere der offenkundigere war. Hastig verbarg er sein Lächeln hinter einer Hand.
    »Was hat dieses Mädchen für eine schöne Stimme!« sagte Kalten voll tiefer Bewunderung, als Alean ihr Lied beendete. »Verflixt!« Erst jetzt bückte er sich und besah sich den bereits seit fünf Minuten schmerzenden Fuß.
    Die Arbeit wurde bis Sonnenuntergang fortgesetzt, dann zogen die vereinten Streitkräfte sich hinter die verstärkte Palisade zurück und warteten. Bevier und seine cyrinischen Ritter begaben sich zur Hügelkuppe, wo sie ihre Katapulte fertigstellen. Dann vertrieben sie sich die Zeit damit, scheinbar aufs Geratewohl Felsbrocken in den Wald zu schleudern.
    »Worauf schießen sie, Sperber?« erkundigte Ehlana sich nach dem Abendessen.
    »Auf die Bäume.« Er zuckte die Schultern.
    »Aber die Bäume haben nichts gegen uns.«
    »Nein, aber wahrscheinlich verstecken sich Leute im Wald. Die vom Himmel fallenden Felsbrocken werden ihnen den Spaß ein wenig verderben.« Er grinste. »Beviers Männer stellen nur die

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