Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
Befehl exakt ausführten. So wandten sie den Cynesganerinnen ihre ganze Aufmerksamkeit zu und beachteten ihre eigenen Frauen überhaupt nicht mehr. Als sie ihren Fehler erkannten, hatten alle Cyrgaierinnen das Gebäralter bereits überschritten. Der Sage nach ist der Letzte der Cyrgai vor etwa zehntausend Jahren gestorben.«
»Das ist Dummheit in Vollendung!« bemerkte Stragen.
Zalasta lächelte dünn. »Wie auch immer, was einst Cyrga war, ist jetzt Cynesga. Es wird von einer schwächlichen Mischlingsrasse bevölkert, die sich nur am Leben halten kann, weil die Handelsstraßen zwischen den Tamulern im Osten und den Eleniern im Westen durch ihr Land führen. Die übrige Welt blickt mit tiefster Verachtung auf diese Nachfahren der kriegerischen Cyrgai hinab. Sie sind hinterlistig, feige, unehrlich und abstoßend kriecherisch – ein angemessenes Schicksal für die Nachkommen einer Rasse, die sich dereinst einbildete, von den Göttern ausersehen worden zu sein, über die ganze Welt zu herrschen.«
Kalten seufzte. »Geschichte ist ein so trübsinniges Thema.«
»Cynesga ist nicht der einzige Ort, wo die Vergangenheit zurückkehrt, um uns Steine in den Weg zu legen«, fügte Zalasta hinzu.
»Das ist uns nicht entgangen«, versicherte ihm Tynian. »Alle Elenier in Westastel sind überzeugt, daß Ayachin zurückgekehrt ist.«
»Dann habt Ihr auch von diesem ›Säbel‹ gehört?« fragte Zalasta.
»Wir sind ihm ein paarmal begegnet.« Stragen lachte. »Ich glaube nicht, daß er eine große Gefahr darstellt. Er ist ein unreifer Poseur.«
»Die Westasteler scheinen mit ihm ganz zufrieden zu sein«, fügte Tynian hinzu. »Sie sind nicht gerade die klügsten.«
»Ich kenne sie«, sagte Zalasta und verzog das Gesicht. »Kimear von Dakonien und Baron Parok, sein Wortführer, sind jedoch ernster zu nehmen. Kimear war einer jener ruhelosen Reitergestalten, die hin und wieder aus der elenischen Gesellschaft auftauchen. Er unterwarf die beiden anderen elenischen Reiche in Westastel und gründete eines dieser tausendjährigen Reiche, die dann und wann emporsprießen und sogleich nach dem Tod ihres Gründers wieder zerfallen. In Edom heißt der Held Incetes – und ist ein Bursche aus der Bronzezeit, dem es tatsächlich gelang, den Cyrgai ihre erste Niederlage beizubringen. Sein Sprecher nennt sich Rebal. Das ist natürlich nicht sein wahrer Name. Aufwiegler lassen sich für gewöhnlich irgendeinen Phantasienamen einfallen. Ayachin, Kimear und Incetes erregen die primitivsten emotionalen Reaktionen der Elenier – Muskelspiel, hauptsächlich. Ich möchte euch um nichts auf der Welt beleidigen, meine Freunde, aber euch Eleniern macht es offenbar Spaß, soviel wie möglich zu zertrümmern und anderer Leute Häuser niederzubrennen.«
»Es ist eine rassische Untugend«, gestand Ulath.
»Die Arjuni bereiten uns ein wenig andere Probleme«, fuhr Zalasta fort. »Sie gehören der tamulischen Rasse an, und ihre innersten Bedürfnisse sind etwas anspruchsvoller. Tamuler wollen nicht über die Welt herrschen, sie wollen sie nur besitzen.« Er lächelte Oscagne flüchtig an. »Allerdings sind die Arjuni nicht die beliebtesten Vertreter der Rasse. Ihr Held ist der Kerl, der den Sklavenhandel erfand.«
Mirtai stieß zischend den Atem aus, und ihre Hand fuhr zum Dolch an ihrem Gürtel.
»Gibt es ein Problem, Atana?« erkundigte Oscagne sich freundlich.
»Ich habe Erfahrung mit den Sklavenhändlern von Arjuna, Oscagne«, antwortete sie knapp. »Ich hoffe, sie eines Tages auffrischen zu können, und diesmal werde ich kein Kind mehr sein.«
Sperber wurde bewußt, daß Mirtai ihnen nie erzählte hatte, wie sie versklavt worden war.
»Dieser Arjuniheld stammt aus jüngerer Vergangenheit als die anderen«, fuhr Zalasta fort. »Er lebte im zwölften Jahrhundert und hieß Sheguan.«
»Wir haben von ihm gehört«, sagte Engessa finster. »Seine Leute holten sich Sklaven aus den Reihen atanischer Kinder in Ausbildungslagern. Wir haben die Arjuni ein für allemal überredet, damit aufzuhören.«
»Das hört sich ziemlich rabiat an«, stellte Baroneß Melidere fest.
»Es war die totale Heimsuchung, Baroneß«, erklärte Oscagne. »Einige Sklavenhändler der Arjuni holten sich im siebzehnten Jahrhundert Sklaven aus Atan, worauf ein Reichsverwalter von einem Übermaß an gerechtem Zorn erfaßt wurde. Er gestattete den Atanern eine Strafexpediton nach Arjuna.«
»Unser Volk singt heute noch Lieder darüber«, sagte Engessa verträumt.
»War es
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