Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
um eine Methode handeln muß, die so alltäglich ist, daß keiner ihr Beachtung schenkt.«
»Wir könnten Geschenke austauschen«, meinte Baroneß Melidere.
»Es wäre mir eine Freude, Euch Geschenke zu schicken, meine teure Baroneß.« Sarabian lächelte. »Eure Augen erfreuen mein Herz, aber …«
Sie hob eine Hand. »Verzeiht, Majestät«, unterbrach sie ihn, »aber nichts ist unverdächtiger als der Austausch von Geschenken unter Monarchen. Ich kann kleine Aufmerksamkeiten der Königin zu Euch bringen, und der Botschafter die Euren zu ihr. Nach kurzer Zeit wird niemand mehr darauf achten. In diesen Geschenken könnten wir Nachrichten verbergen, und keiner wird es wagen, danach zu su chen.«
»Wo habt Ihr dieses wundervolle Mädchen gefunden, Ehlana?« fragte Sarabian. »Ich würde sie auf der Stelle heiraten – wenn ich nicht bereits neun Gemahlinnen hätte. Ach, übrigens möchte ich mit Euch darüber sprechen, Sperber – ganz unter uns, vielleicht?« Er blickte sich um. »Sieht irgendwer irgendwelche Schwächen im Plan der Baroneß?«
»Nur eine«, sagte Mirtai, »aber darum kann ich mich kümmern.«
»Und welche Schwäche wäre das, Atana?« fragte der Kaiser.
»Es könnte schließlich doch jemand bei diesem Austausch von Geschenken mißtrauisch werden – vor allem, wenn es häufiger geschieht. Wenn Melidere die Geschenke überbringt, werde ich sie stets begleiten und dafür sorgen, daß niemand uns anhalten wird.«
»Ausgezeichnet, Atana. Großartig! – Aber jetzt sollten wir zurückkehren, Oscagne. Subat vermißt mich schrecklich, wenn ich nicht genau dort bin, wo er es erwartet. – Noch etwas, Sperber. Habt die Güte und stellt ein paar Eurer Ritter zur Unterhaltung meiner Gemahlin Elysoun ab.«
»Wie bitte, Majestät?«
»Jung, gutaussehend und mit möglichst viel Stehvermögen – Ihr wißt schon, was ich meine.«
»Reden wir, wovon ich glaube, daß wir reden, Majestät?«
»Natürlich. Elysoun liebt es, Geschenke und kleine Freuden auszutauschen, und sie wäre bitter enttäuscht, wenn niemand sich mit ihr beschäftigen möchte.«
»Äh – wie viele Männer braucht sie in etwa, Majestät?«
»Ein gutes Dutzend dürfte wohl genügen. – Gehen wir, Oscagne?« Und schon eilte der Kaiser von Tamuli zur Tür.
25
»Das ist typisch für Menschen von hoher Intelligenz, Majestät«, erklärte Zalasta, an Ehlana gewandt. »Sie reden sehr schnell, um mit ihrem Ideenfluß Schritt halten zu können. Kaiser Sarabian ist vielleicht nicht ganz so genial, wie er meint, aber er hat einen beachtlichen Verstand. Es ist erstaunlich, daß es ihm gelang, seine Klugheit vor allen Regierungsbeamten zu verbergen. Menschen wie er sind für gewöhnlich dermaßen wankelmütig und reizbar, daß sie sich selbst ein Bein stellen.«
Sie hatten sich in den königlichen Gemächern versammelt, um über die erstaunliche Offenbarung des vergangenen Abends zu sprechen.
Botschafter Oscagne war schon vor den anderen gekommen und hatte einen Plan der Geheimgänge und verborgenen Lauschposten innerhalb der elenischen Burg mitgebracht, die ihr derzeitiges Zuhause war. Sechs Spitzel waren aufgespürt und höflich, aber mit Nachdruck ersucht worden, sich sofort zurückzuziehen. »Es ist wirklich nichts Persönliches, Majestät«, entschuldigte Oscagne sich bei Ehlana. »Alles rein politisch.«
»Ich verstehe vollkommen, Exzellenz«, versicherte sie huldvoll. Ehlana trug an diesem Morgen ein smaragdgrünes Gewand und sah besonders reizend aus.
»Habt ihr ein gut organisiertes Spitzelsystem, Exzellenz?« fragte Stragen.
»Nein, ich glaube nicht, Durchlaucht. Jedes Ministerium hat seine eigenen Spione; aber sie verbringen die meiste Zeit damit, sich gegenseitig zu bespitzeln. Wir sind viel neugieriger, was unsere Kollegen im Schilde führen, als die Absichten ausländischer Besucher zu erfahren.«
»Dann gibt es also keine spezielle Spitzelorganisation?«
»Nein, Durchlaucht.«
»Haben wir auch wirklich alle Spione aufgestöbert?« Emban blickte nervös auf die opaleszierenden Wände.
Sephrenia lächelte. »Dafür habe ich gesorgt, Eminenz.«
»Wie denn?«
»Sie hat mit den Fingern gewackelt, Patriarch Emban«, warf Talen trocken ein, »und sämtliche Spione, die wir nicht entdeckt haben, in Kröten verwandelt.«
»Na ja, ich bin nicht ganz so kraß mit ihnen verfahren«, wehrte Sephrenia ab, »aber falls sich noch Spitzel hinter den Wänden versteckt halten, können sie nichts mehr hören.«
»Eure Gaben sind
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