Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
Kontakt zu den hiesigen Dieben aufnehmen. Falls wir hier mit sinnlosen Formalitäten gegängelt werden, brauchen wir Hilfe, um Informationen zu bekommen.«
»Und wie wollt ihr euch mit den Berufskollegen verständigen?« fragte Khalad.
»Matherion ist eine sehr weltoffene Stadt, Khalad. Caalador verwies mich an mehrere Elenier, die bei den Dieben hier viel zu sagen haben.«
»Tut, was sein muß, Stragen«, sagte Ehlana, »aber seht zu, daß Ihr keine diplomatischen Verwicklungen herbeiführt.«
»Verlaßt Euch auf mich, Majestät.« Er grinste.
Die königliche Gemächerflucht im Schloß befand sich hoch oben im mittleren Turm. Natürlich war die Burg nur für dekorative Zwecke erbaut worden, doch da sie die getreue Nachbildung einer elenischen Festung war, hatten ihre Erbauer unwissentlich auch Verteidigungsanlagen errichten lassen, die sie vermutlich gar nicht erkannt hatten. Bevier war sehr erfreut darüber. »Ich könnte die Burg verteidigen«, erklärte er. »Ich bräuchte nur ein paar Fässer Teer und einige Maschinen, dann ließe sie sich mehrere Jahre halten.«
»Hoffen wir, daß es nicht dazu kommt, Bevier«, entgegnete Ehlana.
Später an diesem Abend, nachdem Sperber und seine erweiterte Familie den anderen gute Nacht gewünscht und sich in die königlichen Gemächer zurückgezogen hatten, machte der Prinzgemahl es sich in einem Sessel am Fenster bequem, während die Damen all die kleinen Dinge verrichteten, die Damen tun, ehe sie zu Bett gehen, und von denen viele einen praktischen Nutzen hatten, während andere völlig unverständlich waren.
»Es tut mir leid, Sperber«, sagte Ehlana, »aber ich mache mir Gedanken. Wenn die Kaiserin Elysoun so wahllos auf Männerfang ist, wie sich aus Oscagnes Worten schließen läßt, könnte sie uns in ziemliche Verlegenheit bringen. Denk nur mal an Kalten! Könntest du dir vorstellen, daß er die Art von Angebot ausschlagen würde, das Elysoun ihm möglicherweise machen wird – vor allem in ihrer Gewandung?«
»Ich werde mit Kalten reden«, versprach Sperber.
»Mit dem nötigen Nachdruck«, riet Mirtai. »Es ist manchmal nicht leicht, sich Kaltens Aufmerksamkeit zu versichern, wenn er abgelenkt ist.«
»Elysoun ist schamlos«, warf Baroneß Melidere ein.
»Sie ist aber sehr hübsch, Baroneß«, sagte Alean, »und ich glaube, aus ihrer Sicht verhält sie sich ganz normal. Sie weiß natürlich, daß ihr Körper schön ist. Aber es macht sie vermutlich einfach nur glücklich, andere an dieser Schönheit teilhaben zu lassen. Sie ist eher großzügig als schamlos.«
»Könnten wir uns nicht über etwas anderes unterhalten?« sagte Sperber verlegen.
Auf ein leises Klopfen hin ging Mirtai zur Tür, um festzustellen, wer Einlaß begehrte. Wie immer lag eine Hand der Atana um einen Dolchgriff, als sie öffnete.
Draußen stand Oscagne. Er trug einen Kapuzenumhang und befand sich in Begleitung eines ähnlich Vermummten. Die beiden traten rasch ein. »Schließt die Tür, Atana«, drängte der Botschafter aufgeregt. Seine Miene ließ seine übliche Gelassenheit völlig vermissen.
»Was habt Ihr für ein Problem, Oscagne?« fragte Mirtai barsch.
»Bitte, Atana Mirtai, schließt die Tür. Wenn irgend jemand herausfindet, daß mein Freund und ich hier sind, wird der Palast um uns zusammenstürzen!«
Sie schloß die Tür und verriegelte sie.
Plötzlich wußte Sperber, wer Oscagnes Begleiter war. Er erhob sich. »Willkommen, Kaiserliche Majestät«, wandte er sich an den Vermummten.
Kaiser Sarabian warf seine Kapuze zurück. »Wie, zum Teufel, konntet Ihr wissen, daß ich es bin, Prinz Sperber?« fragte er erstaunt. Sein Elenisch war fast akzentfrei. »Ich weiß, daß Ihr mein Gesicht nicht sehen konntet.«
»Das stimmt, Majestät. Aber ich konnte das Gesicht Botschafter Oscagnes sehen. Er zog eine Miene, als hätte er eine lebende Schlange dabei.«
Sarabian lachte. »Man hat mich schon vieles genannt, aber als Schlange hat man mich noch nie bezeichnet.«
»Majestät, Ihr seid ungemein geschickt«, lobte Ehlana ihn mit einem anmutigen Knicks. »Keine Regung in Eurer Miene hat mir verraten, daß Ihr Elenisch versteht. Bei Königin Betuana habe ich es erkannt, doch bei Euch deutete nicht einmal ein Wimpernzucken darauf hin.«
»Betuana spricht Elenisch?« wunderte Sarabian sich. »Erstaunlich.« Er nahm seinen Umhang ab. »Es ist so, Majestät«, sagte er zu Ehlana, »ich beherrsche alle Sprachen meines Imperiums – Tamulisch, Elenisch, Styrisch, Teganisch,
Weitere Kostenlose Bücher