Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
blutigen Axt auf den Mann.
»Was hat er gesagt?« wollte Kalten wissen.
»Er hat eine keineswegs schmeichelhafte Bemerkung über meine Mutter gemacht. Entschuldigt mich kurz, Freunde. Ich kann das so nicht hinnehmen.« Er wendete sein Pferd und näherte sich dem ebenfalls mit einer Streitaxt bewaffneten Berittenen mit dem Flügelhelm.
Sperber war nie zuvor Zeuge eines Axtkampfs gewesen. Es überraschte ihn, daß er viel finessenreicher geführt wurde, als er erwartet hatte. Die größere Kraft spielte dabei natürlich die wichtigste Rolle, doch plötzliche Richtungsänderungen der Hiebe, Finten und Ausfälle waren Manöver, die Sperber nicht erwartet hatte. Beide Gegner trugen schwere Rundschilde, und die Abwehr der Hiebe erforderte mehr Kraft, als bei einem Kampf mit Schwertern.
Ulath stellte sich in seinen Steigbügeln auf und hob seine Axt hoch über den Kopf. Der Mann im Flügelhelm riß seinen Schild schräg in die Höhe, doch der hünenhafte Thalesier schwang den Arm zurück, drehte die Schulter und schlug unterhalb der Deckung zu. Er traf seinen Gegner unmittelbar unter dem Brustkorb. Der Führer der Angreifer krümmte sich zusammen, drückte die Hand auf den Bauch und fiel aus dem Sattel.
Die Angreifer, die noch auf den Beinen waren, stöhnten laut. Und plötzlich, wie Dunst in einem Windstoß, verschwammen und verschwanden sie.
»Wo sind sie hin?« brüllte Berit und starrte erschrocken um sich.
Doch diese Frage konnte ihm niemand beantworten. Wo soeben noch an die vierzig Fußsoldaten gekämpft hatten, war nun Leere, und abrupt senkte sich Stille über das Schlachtfeld, als auch die schreienden Verwundeten verschwanden. Nur die Toten blieben, doch eine seltsame Verwandlung ging mit ihnen vor. Die Leichen sahen seltsam ausgetrocknet, geschrumpft und verrunzelt aus. Das Blut, das ihre Wunden bedeckt hatte, war nicht mehr hellrot, sondern schwarz, trocken und verkrustet.
»Was für ein Zauber ist das, Sperber?« fragte Tynian scharf.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Sperber verblüfft. »Jemand treibt seine Spielchen mit uns, und ich kann nicht behaupten, daß sie mir gefallen.«
»Bronze!« rief Bevier aus der Nähe. Der junge Cyriniker war abgesessen und besah sich die Rüstung eines der verschrumpelten Toten. »Sie tragen Bronzerüstungen, Sperber. Ihre Waffen und Helme sind aus Stahl, aber dieses Kettenhemd ist aus Bronze.«
»Was geht hier vor?« fragte Kalten.
»Berit«, bat Sperber, »reite zurück zum Mutterhaus in Demos. Rufe alle Brüder zusammen, die noch nicht zu alt sind, eine Rüstung zu tragen. Ich möchte, daß sie noch vor Mittag hier sind.«
»Jawohl«, antwortete Berit knapp. Er galoppierte den Weg zurück, den sie gekommen waren.
Sperber schaute sich rasch um. »Dort hinauf!« Er deutete auf einen steilen Hügel auf der anderen Straßenseite. »Sammeln wir unsere Leute und bringen sie auf die Kuppe dieses Hügels. Wir teilen die Höflinge, Lakaien und Diener zur Arbeit ein. Ich möchte, daß dort oben Gräben ausgehoben und die Hänge des Hügels mit zugespitzten Pfählen gespickt werden. Ich weiß nicht, wohin diese Krieger in Bronzerüstung verschwunden sind, aber ich möchte bereit sein, falls sie zurückkehren.«
»So könnt Ihr mich nicht herumkommandieren!« beschwerte sich ein Höfling in übertrieben prunkvoller Gewandung empört bei Khalad. »Wißt Ihr nicht, wen Ihr vor Euch habt?«
»Natürlich weiß ich das«, erwiderte Sperbers Knappe mit bedrohlich ruhiger Stimme. »Ihr seid derjenige, der jetzt nach dieser Schaufel greift und zu graben anfängt. Doch wenn es Euch lieber ist, könnt Ihr auch auf Händen und Knien herumkriechen und Eure Zähne suchen.« Khalad zeigte dem Hofschranzen die Faust. Der in Samt und Seide prangende Höfling wurde blaß.
»Es ist fast wie früher, nicht wahr?« Kalten lachte. »Khalad hört sich genauso an wie Kurik.«
Sperber seufzte. »Ja«, pflichtete er ihm ernst bei. »Er entwickelt sich zum würdigen Nachfolger seines Vaters. Hol die anderen, Kalten. Ich möchte wissen, wie sie die Lage einschätzen.«
Sie sammelten sich neben Ehlanas Kutsche. Die Königin war ein bißchen bleich und hielt ihre Tochter in den Armen.
»Also«, begann Sperber, »mit wem haben wir es zu tun?«
»Offensichtlich mit Lamorkern«, meinte Ulath. »Ich bezweifle, daß sonst jemand Altlamorkisch sprechen könnte.«
»Aber warum sprechen sie Altlamorkisch?« gab Tynian zu bedenken. »Die Sprache ist seit tausend Jahren tot.«
»Und es ist sogar
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