Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
seiner Stammesbrüder nach Basne an der zemochisch-astelischen Grenze zu reiten. Mirtai ließ deutlich durchblicken, daß sie davon ausgeht, Kring liebe sie nicht, falls er nicht bereits dort wartet, wenn sie eintrifft.« Ehlana strich sich das aschblonde Haar aus der Stirn.
»Armer Kring.« Sperber lächelte. »Mit einer solchen Botschaft könnte Mirtai ihn von den Toten zurückholen. Glaubst du, daß sie ihn heiraten wird?«
»Schwer zu sagen, Sperber. Er ist ihr jedenfalls nicht gleichgültig.«
Es klopfte. Mirtai öffnete die Tür und ließ Kalten ein. »Es ist ein herrlicher Tag«, sagte er. »Wir werden gutes Wetter für die Reise haben.«
»Wie geht es voran?« fragte ihn Sperber.
»Wir sind mit den Vorbereitungen so gut wie fertig.« Kalten trug ein Wams aus grünem Brokat. Er verbeugte sich höfisch vor der Königin. »Im Grund genommen sind wir bereits fertig, aber keiner scheint es wahrhaben zu wollen.«
»Könntet Ihr das näher erklären, Ritter Kalten?« bat Ehlana.
Er zuckte die Schultern. »Jeder geht noch einmal durch, was bereits alle anderen getan haben, um sich zu vergewissern, daß nichts übersehen wurde.« Er ließ sich in einen Sessel fallen. »Jeder hält sich für den wichtigsten Organisator, allen voran Emban. Wenn er mich noch ein einziges Mal fragt, ob die Ritter zum Aufbruch bereit sind, erwürge ich ihn! Er hat nicht die leiseste Ahnung, was alles dazu gehört, eine so große Reisegesellschaft von einem Ort zum anderen zu bewegen. Könnt ihr euch vorstellen, daß er uns alle auf ein Schiff verfrachten wollte? Mitsamt Pferden und allem anderen?«
»Das wäre arg eng geworden.« Ehlana lächelte. »Für wie viele Schiffe hat er sich schließlich entschieden?«
»Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht einmal genau, wie viele Personen mitkommen. Eure Hofleute sind felsenfest überzeugt, daß Ihr ohne ihre Gesellschaft nicht leben könnt, Majestät. Es sind ihrer etwa vierzig, die Vorbereitungen für die Reise treffen.«
»Du solltest eine strenge Auswahl treffen, Ehlana«, meinte Sperber. »Ich möchte nicht den ganzen Hofstaat auf dem Hals haben.«
»Ich werde ein paar Leute brauchen, Sperber – und sei es nur, um den Schein zu wahren!«
Talen kam ins Gemach. Der schlaksige Junge trug, was er seine »Straßenkleidung« nannte. Die Sachen paßten nicht zusammen, außerdem waren sie mehr als schlicht und schon ziemlich abgetragen. »Er treibt sich immer noch da draußen herum!« rief er mit glänzenden Augen.
»Wer?« fragte Kalten.
»Krager. Er schleicht in Chyrellos herum wie ein ausgesetzter Hund, der nach einem neuen Zuhause sucht. Stragen hat ein paar Leute von der hiesigen Diebesgemeinschaft auf ihn angesetzt. Sie beobachten ihn Tag und Nacht. Aber wir haben trotzdem noch nicht herausfinden können, was er im Schilde führt.«
»Wie schaut er aus?«
»Noch schlimmer als früher.« Talens Stimme überschlug sich leicht, schwang zwischen Sopran und Bariton. Er war im Stimmbruch. »Die Jahre sind nicht besonders freundlich mit Krager umgesprungen. Seine Augen sehen aus, als wären sie in heißem Schmalz geschwommen. Er macht einen elenden Eindruck!«
»Ich kann nicht behaupten, daß sein Elend mich rührt«, brummte Sperber. »Ich werde seiner allmählich müde. Seit mehr als zehn Jahren geistert Krager in meinem Leben herum. Er ist wie ein Haufen Dung, in den man immer wieder tritt. Offenbar arbeitet er stets für die gegnerische Seite. Aber er ist nicht wichtig genug, daß man sich die Mühe macht, ihn zu beseitigen, wenn er seine Drecksarbeit getan hat.«
»Stragen könnte jemanden von der hiesigen Diebesbande bitten, ihm die Kehle durchzuschneiden«, schlug Talen vor.
Sperber dachte darüber nach. »Besser nicht«, sagte er schließlich. »Krager war immer eine gute Informationsquelle. Aber richte Stragen aus, daß wir gegen einen kleinen Plausch mit unserem alten Freund nichts einzuwenden hätten, sollte sich die Gelegenheit ergeben. Das Angebot, seine Beine zusammenzuflechten, macht Krager für gewöhnlich recht gesprächig.«
Ulath schaute etwa eine halbe Stunde später herein. »Hast du das Schreiben an Komier fertig?« fragte er Sperber.
»Den Entwurf«, antwortete Ehlana an Stelle ihres Gemahls. »Es muß noch ein wenig daran gefeilt werden.«
»Für Komier braucht Ihr nicht zu feilen, Majestät. Er ist an merkwürdige Briefe gewöhnt. Einer meiner genidianischen Mitbrüder hat ihm einmal einen Bericht auf Menschenhaut geschickt.«
Ehlana starrte ihn an. »Er
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