Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
Versprechungen finden stets viel Beifall, doch nur Wickelkinder erwarten ernsthaft, daß solche falschen Propheten ihre Versprechungen tatsächlich halten.«
Je weiter der Vormittag voranschritt, desto dräuender wurde das Wetter. Eine dicke Decke schwarzer Wolken trieb vom Westen heran, und das erste Wetterleuchten zeichnete sich am Horizont ab. »Es wird wohl regnen, was meint Ihr?« fragte Tynian, an Khalad gewandt.
Khalad blickte scharf zur Wolkendecke empor. »Das dürfte unausbleiblich sein, Herr Ritter.«
»Wie lange dauert's noch, bis wir naß werden?«
»Etwa eine Stunde – es sei denn, der Wind nimmt zu.«
»Was meinst du, Sperber?« fragte Tynian. »Sollten wir Ausschau nach einem Unterschlupf halten?« Im Westen grollte ferner Donner.
»Ich glaube, da hast du die Antwort«, erwiderte Sperber. »Männer in Panzerrüstung sollten sich bei einem Gewitter nicht im Freien herumtreiben.«
»Ganz meine Meinung.« Tynian schaute sich um. »Die Frage ist nur, wo könnten wir uns unterstellen? Es gibt hier nicht einmal Bäume.«
»Vielleicht müssen wir die Zelte aufbauen.«
»Das ist nicht sehr erfreulich, Sperber.«
»Durch einen Blitz in der Rüstung geschmort zu werden, ist noch unerfreulicher.«
Kring kam zum Haupttrupp zurückgeritten, gefolgt von einer zweirädrigen Kutsche. Der Mann auf der Kutsche war blond, dicklich und machte einen verweichlichten Eindruck. Seine Kleidung war von einem Schnitt, der im Westen schon vor vierzig Jahren aus der Mode gekommen war. »Das ist der Landherr Kotyk«, sagte der Domi zu Sperber. »Er nennt sich selbst Baron. Er wollte Euch kennenlernen.«
»Ich bin überwältigt, die Recken der Kirche begrüßen zu dürfen, werte Herren Ritter«, stieß der Dicke hervor.
»Es ist uns eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen, Baron Kotyk«, erwiderte Sperber und verneigte sich knapp.
»Mein Landhaus befindet sich ganz in der Nähe«, sprach Kotyk hastig weiter, »und es zieht ein Unwetter herauf. Dürfte ich euch meine Gastfreundschaft anbieten, so ärmlich sie auch sein mag?«
»Wie ich dir schon so oft versichert habe, Sperber«, sagte Bevier lächelnd, »braucht man nur auf Gott zu vertrauen. Er fügt es.«
Kotyk schaute verwirrt drein.
»Ritter Bevier hat einen ziemlich eigenartigen Humor, Euer Gnaden«, wandte Sperber sich an den Baron. »Meine Gefährten und ich sprachen soeben über die Notwendigkeit, sich ein Dach über dem Kopf zu beschaffen. Euer äußerst großzügiges Angebot löst dieses dringliche Problem für uns.« Sperber war mit den hiesigen Sitten nicht vertraut, doch des Barons Sprechweise deutete auf eine ziemlich steife Förmlichkeit hin.
»Wie ich sehe, werdet Ihr von Damen begleitet«, bemerkte Kotyk, der zu Ehlanas Karosse blickte. »Wir müssen vorrangig für ihre Bequemlichkeit sorgen. Wenn wir uns erst unter meinem Dach befinden, können wir uns näher bekannt machen.«
»Wir richten uns ganz nach Euch, Euer Gnaden«, erklärte Sperber sich einverstanden. »Und ich möchte Euch bitten, uns zu führen. Derweil werde ich den Damen von dieser glücklichen Fügung berichten.« Wenn Kotyk auf Förmlichkeit Wert legte, wollte Sperber ihm den Gefallen tun. Er lenkte Faran herum und ritt die Kolonne entlang zurück.
»Wer ist diese fette Qualle in der Kutsche, Sperber?« fragte Ehlana ihn.
»Sprich nicht so respektlos von unserem Gastgeber, Licht meines Lebens.«
»Ist dir nicht gut?«
»Diese fette Qualle hat uns soeben Unterschlupf vor dem heraufziehenden Gewitter angeboten. Laß ihn Dankbarkeit und Achtung spüren.«
»Was für ein netter Mann.«
»Es wäre vielleicht angeraten, deine wahre Identität vor ihm geheimzuhalten. Man kann ja nie wissen, was einen erwartet. Wie wär's, wenn ich dich als eine Adelige vorstelle und …«
»Als Markgräfin«, improvisierte sie. »Markgräfin Ehlana von Cardos.«
»Warum Cardos?«
»Es ist eine so hübsche Gegend. Herrliche Berge und eine schöne Küste, wunderbares Klima und fleißige, gesetzestreue Bürger.«
»Hast du vor, der fetten Qualle Cardos schmackhaft zu machen, Ehlana?«
»Ich muß alles über meine Grafschaft wissen, damit ich überzeugend davon schwärmen kann.«
Sperber seufzte. »Na gut, dann übe das Schwärmen, und laß dir passende Geschichten für die anderen einfallen.« Er blickte zu Emban. »Ist Eure Moral dehnbar genug, ein paar Lügen zu verkraften, Eminenz?« fragte er den Kirchenfürsten.
»Es kommt darauf an, um welche Art von Lügen es geht, Sperber.«
»Nicht
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