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Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Titel: Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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dieses ungebrochene Grau getaucht zu sein. In Jiroch sind sämtliche Häuser weiß getüncht, und die Frauen gehen noch vor Sonnenaufgang an die Brunnen, um die Tageshitze zu meiden. Sie tragen Gewänder mit Kapuzen und Schleier, ganz in Schwarz, und sie balancieren ihre Wasserkrüge auf den Schultern. Ohne daß man es diese Frauen lehren mußte, bewegen sie sich mit einer Anmut, wie sie selbst bei Tänzerinnen selten zu finden ist. Ihr stummer Zug zum Brunnen ist eine Augenweide und der Beginn jedes neuen Tages. Wie Schatten begrüßen sie den Morgen in einem Ritual, das so alt ist wie die Zeit. Habt Ihr je dieses eigenartige Licht vor dem Sonnenaufgang gesehen, Elron?«
    »Ich stehe selten vor dem Mittag auf«, antwortete der junge Mann steif.
    »Ihr solltet Euch einmal die Mühe machen, es Euch anzusehen«, legte Bevier ihm freundlich nahe. »Ein begnadeter Künstler wie Ihr ist für seine Kunst doch gewiß zu Opfern bereit.«
    »Ihr entschuldigt mich?« sagte der junge Mann mit den dunklen Locken brüsk. Er verneigte sich knapp und ergriff die Flucht, wobei sein höhnischer Gesichtsausdruck einem tief gekränkten wich.
    »Das war grausam, Bevier« rügte Sperber, »und du hast mir etwas angedichtet. Allerdings muß ich zugeben, daß du bewundernswert mit Worten umgehen kannst.«
    »Es hat die gewünschte Wirkung erzielt, Sperber. Wenn dieser eingebildete Trottel sich noch länger so aufgespielt hätte, wäre es mit meiner Beherrschung aus gewesen. Über zweihundert Verse für eine Ode an die Farbe Blau! Was für ein Esel!«
    »Wenn er dir das nächste Mal mit Blau auf die Nerven geht, dann beschreib ihm den Bhelliom.«
    Bevier schauderte. »Ich bestimmt nicht, Sperber! Schon bei dem Gedanken wird mir übel!«
    Sperber lachte und trat ans Fenster, um den Regen zu beobachten, der gegen die Scheibe peitschte.
    Danae stellte sich neben ihn und griff nach seiner Hand. »Müssen wir wirklich hierbleiben, Vater? Diese Leute sind kaum zu ertragen!«
    »Wir brauchen Schutz vor dem Unwetter, Danae.«
    »Wenn das alles ist, worüber du dir Sorgen machst, kann ich es zu regnen aufhören lassen. Ich warne dich! Falls noch einmal eine dieser gräßlichen Frauen auf mich einplappert, als wäre ich ein Kleinkind, verwandle ich sie in eine Kröte!«
    »Ich glaube, ich habe eine bessere Idee.« Sperber bückte sich und hob sie auf die Arme. »Tu so, als wärst du schläfrig!«
    Danae erschlaffte sofort und ließ Arme und Beine wie bei einer Stoffpuppe hinunterbaumeln.
    »Du übertreibst«, rügte Sperber sie. Er durchquerte den saalähnlichen Raum, legte Danae behutsam auf einen Diwan und deckte sie mit ihrem Reiseumhang zu. »Schnarch nicht«, warnte er sie. »Dazu bist du noch nicht alt genug.«
    Sie blickte ihn unschuldsvoll an. »So was würde ich doch niemals tun, Sperber. Hol mir meine Katze.« Dann gefror ihr Lächeln. »Achte genau auf unseren Gastgeber und seine Familie, Vater. Ich möchte, daß du siehst, was für Leute sie wirklich sind.«
    »Was führst du im Schilde?«
    »Nichts. Aber du solltest deine Gastgeber genau kennenlernen.«
    »Ich durchschaue sie schon.«
    »Das stimmt nicht. Sie versuchen, höflich zu sein, deshalb zeigen sie sich im besten Licht. Aber du mußt die Wahrheit hören. Den Rest des Abends werden sie sagen, was sie wirklich denken und empfinden.«
    »Mir wäre lieber, sie würden es bleibenlassen.«
    »Man hält dich für einen tapferen Mann, Sperber, und diese gräßliche Familie ist typisch für den Landadel in Astel. Sobald du sie verstehst, wirst du erkennen, woran das Land krankt. Es könnte sich als nützlich erweisen.« Ihre Augen und ihr Gesicht wurden ernst. »Es gibt hier etwas, Sperber – etwas, worüber wir unbedingt Bescheid wissen müssen.«
    »Was?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Paß gut auf, Vater. Jemand wird dir heute abend etwas Wichtiges erzählen. Und jetzt hol mir meine Katze.«
    Das Abendessen, zu dem man sie einlud, war lieblos zubereitet, und die Tischgespräche waren kaum zu ertragen. Durch Danaes Zauber von Zurückhaltung und Vorsicht befreit, sagten der Baron und seine Familie Dinge, die sie normalerweise wohl für sich behalten hätten. Obendrein erhöhte die Wirkung des minderwertigen Weins, den sie in sich hineingossen wie Säufer in einer Schenke, ihr Selbstmitleid und ihre Eitelkeit.
    »Ich bin nicht für diese barbarische Abgeschiedenheit geschaffen«, vertraute Katina der armen Melidere tränenvoll an. »Es kann nicht Gottes Wille sein, daß ich so im

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