Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Titel: Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
Vom Netzwerk:
recht, was das Zeremoniell in einem solchen Fall verlangte. Als Monarch von Astel stand es ihm zu, auf seinem Thron sitzen zu bleiben, doch die Tatsache, daß sein gesamter Hofstaat sich tief vor Ehlana verbeugte oder knickste, schüchterte ihn ein. So erhob er sich und trat sogar von seinem Thronpodest hinab, um Ehlana zu begrüßen.
    »Nun fand Unser Leben seine Krönung«, sagte Ehlana in ihrer höfisch vollendetsten Art, »denn endlich, wie Gott es seit Anbeginn der Zeit gewiß bestimmt hat, lernen Wir Unseren teuren Bruder von Astel persönlich kennen, wie Wir es Uns schon seit Unserer frühesten Kindheit ersehnten.«
    »Spricht sie für uns alle?« flüsterte Talen Berit zu. »Dann lügt sie nämlich, soweit es mich betrifft.«
    »Sie bedient sich des Pluralis majestatis«, erklärte Berit. »In diesem Fall ist die Königin mehr als eine Person, und sie spricht für ihr gesamtes Reich.«
    »Wir fühlen uns geehrter, als ich … Wir sagen können, Majestät«, entgegnete Alberen ein wenig hilflos.
    Ehlana paßte sich rasch der mangelnden Sprachgewandtheit ihres Gastgebers an und verfiel übergangslos in einen weniger förmlichen Tonfall. Sie überging das steife Zeremoniell und überhäufte den armen Mann mit ihrem Charme. Schon nach fünf Minuten plauderten sie miteinander, als würden sie sich bereits ihr Leben lang kennen, und nach zehn Minuten hätte Alberen ihr seine Krone abgetreten, hätte Ehlana ihn darum gebeten.
    Nach den unvermeidlichen Begrüßungsworten entfernten Sperber und Ehlanas Gefolge sich vom Thron, um – ebenso unvermeidlich – mit den versammelten Hofleuten zu plaudern, hauptsächlich über das Wetter, ein politisch unverfängliches Thema. Emban und der Erzmandrit Monsel, das Oberhaupt der Astelischen Kirche, wechselten theologische Platitüden, ohne dabei die unterschiedlichen Lehrmeinungen zu berühren, die ihre beiden Kirchen trennten. Monsel trug eine kunstvolle Mitra und aufwendig bestickte Roben. Auch er hatte einen Vollbart, der bis zur Körpermitte reichte.
    Sperber hatte schon früh im Leben erkannt, daß in solchen Situation eine finstere Miene seine beste Verteidigung war. So schüchterte er üblicherweise ganze Säle voller Personen ein, die ihn sonst mit geistlosem Geschwätz belästigt hätten.
    »Fühlt Ihr Euch nicht wohl, Prinz Sperber?« Es war Botschafter Fontan, der es trotz Sperbers furchteinflößender Miene wagte, ihn anzusprechen. »Ihr seht ausgesprochen mürrisch aus.«
    »Nichts als Taktik, Exzellenz«, versicherte Sperber. »Wenn ein Soldat nicht belästigt werden möchte, läßt er einen Graben schaufeln und ihn mit spitzen Pfählen spicken. Ein finsteres Gesicht erzielt bei gesellschaftlichen Anlässen die gleiche Wirkung.«
    »Ihr seht wirklich abweisend aus, mein Junge. Machen wir einen Spaziergang auf der Brustwehr und genießen die Aussicht, die frische Luft und die Ungestörtheit. Es gibt so allerlei, das Ihr wissen müßt, und jetzt haben wir vielleicht die einzige Gelegenheit, unter vier Augen zu sprechen. An König Alberens Hof wimmelt es von unwichtigen Schranzen, die alles geben würden, wenn sie damit protzen könnten, Euch persönlich zu kennen. Ihr habt einen beachtlichen Ruf, wißt Ihr?«
    »Das ist reichlich übertrieben, Exzellenz.«
    »Ihr seid zu bescheiden, mein Junge. Gehen wir?«
    Unauffällig verließen sie den Thronsaal und stiegen mehrere Treppen hinauf, bis sie auf den windgepeitschten Wehrgang gelangten.
    Fontan blickte über die Stadt. »Malerisch, aber veraltet, findet Ihr nicht?«
    »Das sind wohl alle elenischen Städte, Exzellenz«, erwiderte Sperber. »Elenische Baumeister hatten seit fünf Jahrtausenden keine neuen Ideen mehr.«
    »Matherion wird Euch die Augen öffnen, Sperber. Also, zur Sache. Astel steht kurz davor, auseinanderzubrechen. Das gilt zwar für alle Reiche auf der Welt, doch in Astel steht es besonders schlimm. Ich tue, was ich kann, den Verfall aufzuhalten, doch Alberen ist dermaßen leicht zu beeinflussen, daß es fast jedem gelingt. Er unterzeichnet so gut wie alles, was man ihm vorlegt. Ihr habt natürlich von Ayachin gehört – und seinem Laufburschen Säbel?«
    Sperber nickte.
    »Ich habe jeden Reichsagenten in Astel auf Säbel angesetzt, um seine wahre Identität zu erfahren, aber bisher hatten wir kein Glück. Er treibt sich ungehindert herum und unterhöhlt das System, das in Jahrhunderten gewachsen ist. Wir wissen so gut wie nichts über ihn.«
    »Säbel hat ein kindliches Gemüt, Exzellenz«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher