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Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt

Titel: Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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warten müssen, bis im Schloß alles präsentabel ist.«
    Nach kurzer Zeit marschierte eine Gruppe livrierter Trompeter auf den Balkon über dem Schloßeingang. Sie schmetterten einen Tusch. Der Hof war von steinernen Gebäuden umgeben, und die Echos der Trompeten waren so laut, daß einige Pferde ihre Reiter vor Schreck beinahe abgeworfen hätten. Fontan stieg aus der Karosse und bot Ehlana höfisch den Arm.
    »Ihr seid sehr ritterlich, Exzellenz«, murmelte sie.
    »Beweis einer vergeudeten Jugend, meine Liebe.«
    »Die Manieren Eures Lehrers kommen mir sehr vertraut vor, Botschafter Oscagne«, stellte Stragen lächelnd fest.
    »Meine Nachahmung des Meisters ist leider nur ein armseliger Schatten seiner Perfektion, Durchlaucht.« Oscagne blickte voller Zuneigung auf seinen runzligen Lehrmeister. »Wir alle versuchen, Fontan nachzueifern. Seine Erfolge auf dem Gebiet der Diplomatie sind Legende. Laßt Euch nicht täuschen, Stragen! Wenn Fontan liebenswürdig und ironisch humorvoll ist, entwaffnet er jeden und bekommt auf diese Weise mehr Informationen über den Betreffenden, als man sich vorstellen kann. Fontan kann schon am Zucken der Brauen den Charakter eines Menschen erkennen.«
    »Dann werde ich wohl eine Herausforderung für ihn sein«, meinte Stragen, »da ich ein fast charakterloser Mensch bin.«
    »Ihr macht Euch selbst etwas vor, Durchlaucht. Ihr seid bei weitem nicht so charakterlos, wie Ihr uns glauben lassen wollt.«
    Ein stämmiger Lakai in prächtiger scharlachroter Livree geleitete sie ins Schloß und einen breiten, gut beleuchteten Korridor entlang. Botschafter Oscagne schritt gleich hinter dem Lakaien und informierte ihn im Gehen über Rang und Namen der Besucher.
    Die Flügeltür am Ende des Korridors schwang weit auf, und der livrierte Lakai schritt den Besuchern voraus in einen riesigen, prunkvollen Thronsaal, in dem sich aufgeregte Höflinge drängten. Der Lakai, offenbar der Zeremonienmeister, pochte mit seinem Stab auf den Boden. »Werte Damen und Herren«, rief er mit Donnerstimme, »ich habe die Ehre, Ihre Göttliche Majestät Ehlana, Königin von Elenien, vorzustellen.«
    »Göttlich?« flüsterte Kalten Sperber zu.
    »Das wird immer offensichtlicher, je besser man sie kennt.«
    Der Zeremonienmeister fuhr mit der Vorstellung fort und schmückte bei jeder Namensnennung die Titel eines jeden Besuchers aus. Oscagne hatte seine Hausaufgabe offenbar sehr sorgfältig gemacht, und der Zeremonienmeister reihte bei seiner Vorstellung selbst die selten benutzten Titel fließend auf. Dabei wurde die fast vergessene Tatsache ans Licht gebracht, daß Kalten Baron war, Bevier ein Vicomte, Tynian Herzog und Ulath Graf. Am überraschendsten von allem war vielleicht, daß Berit, der schlichte, ernste Berit, seinen Titel Marquis immer verschwiegen hatte. Stragen wurde als Baron vorgestellt. »Der Titel meines Vaters«, erklärte er den Gefährten verlegen flüsternd. »Seit ich ihn und meine Brüder getötet habe, steht er mir rechtlich zu – eine Art Kriegsbeute, wißt ihr.«
    »Meine Güte!« hauchte Baroneß Melidere, und ihre blauen Augen leuchteten. »Ich befinde mich hier ja in viel erlauchterer Gesellschaft, als ich ahnte!«
    »Ich wollte, Melidere würde das bleiben lassen«, flüsterte Stragen.
    »Was?« fragte Kalten.
    »Sie will den Anschein erwecken, das Leuchten in ihren Augen wäre die Sonne, die durch den Hohlraum in ihrem Kopf leuchtet. Ich weiß aber, daß sie viel klüger ist! Ich hasse Schwindler.«
    » Ihr haßt Schwindler?«
    »Schon gut, Kalten.«
    Im Thronsaal König Alberens von Astel breitete sich ehrfürchtiges Schweigen aus, als die Erhabenheit der Besucher offenkundig wurde. König Alberen, ein nichtssagender Mann, dessen Königsroben zu groß waren, schien bei jedem neuen Titel noch kleiner zu werden. Alberen hatte offenbar schwache Augen, und seine Kurzsichtigkeit verlieh ihm den ängstlichen Blick eines Hasen oder anderen kleinen, hilflosen Tieres, das andere Tiere als natürliche Beute betrachten. Die Pracht seines Thronsaals machte ihn nur noch kleiner – die gewaltigen roten Teppiche und Wandbehänge, die schweren, goldverzierten Kristall-Lüster und Marmorsäulen – das alles bildete einen heroischen Rahmen, in dem sich ein so kleiner Mann einfach fehl am Platze fühlen mußte.
    Sperbers Gemahlin, majestätisch und liebreizend, schwebte zum Thron, geleitet von Botschafter Fontan und umgeben von ihrem stahlgepanzerten Gefolge. König Alberen wußte offenbar nicht so

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