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Tamuli 2 - Das leuchtende Volk

Tamuli 2 - Das leuchtende Volk

Titel: Tamuli 2 - Das leuchtende Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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wir unsere Füße auf dem Boden. Bhelliom bewegt sich durch eine gewaltige Leere. Falls die Delphae Bhelliom täuschen können, wäre es möglich, praktisch überall aus dieser Leere wieder aufzutauchen.«
    »Was ist eine Ekloge?« wollte Talen wissen. Sie ritten am nächsten Morgen gen Osten – so hofften sie zumindest –, und Itagne setzte seinen Vortrag über die delphaeische Literatur fort.
    »Eine Art primitives Drama«, erklärte er. »Meist geht es um die Begegnung zweier Hirten. Sie stehen herum und philosophieren in gräßlichen Versen.«
    »Ich kenne einige Hirten«, warf Khalad ein, »und Philosophie war selten ihr Gesprächsthema. Sie haben sich viel mehr für Frauen interessiert.«
    »Auch in Eklogen geht es um Frauen, aber so idealisiert, daß es kaum noch erkennbar ist.« Itagne zupfte nachdenklich an einem Ohrläppchen. »Diese Zurück-zur-Natur-Bewegung scheint eine Zivilisationskrankheit zu sein«, murmelte er. »Je zivilisierter die Menschen werden, desto romantischer erscheint ihnen das einfache, ländliche Leben. Die harte Plackerei und den Schmutz scheinen sie dabei völlig zu vergessen. So mancher schmelzige Poet wird ganz rührselig beim Gedanken an Schäfer – und Schäferinnen, natürlich.
    Ohne Schäferinnen würde es nicht halb soviel Spaß machen. Die Edelleute verlieben sich in unregelmäßigen Abständen immer wieder in die ländliche Tradition und nehmen vieles auf sich, um ihre Vorstellung vom Leben auf dem Lande in die Tat umzusetzen. Kaiser Sarabians Vater ließ sogar unweit von Saranth eine sogenannte Schaffarm errichten. Er und sein Hof begaben sich im Sommer dort hin und verbrachten Monate damit, so zu tun, als würden sie Herden von schrecklich überfütterten Schafen hüten. Ihre ›einfachen‹ Kittel und Röcke waren aus Samt und Seide maßgeschneidert. Sie saßen mit schwärmerischer Miene herum, verfaßten grauenvolle Verse und achteten gar nicht darauf, daß ihre Schafe in alle Richtungen davonirrten.« Itagne lehnte sich in seinem Sattel zurück. »Solche Hirtengesänge schaden natürlich nicht. Sie sind nur albern und übertrieben gefühlsselig. Und die Dichter, die süchtig davon sind, neigen dazu, Moral in großen Portionen auszuteilen. Das war in der Literatur schon immer das Problem – eine Rechtfertigung dafür zu finden. Einem praktischen Zweck dient die Dichtkunst eigentlich nicht, wißt ihr.«
    »Dennoch wäre ein Leben ohne Bücher öde und leer«, warf Bevier ein.
    »Das stimmt, Ritter Bevier«, bestätigte Itagne. »Wie dem auch sei – die delphaeische Literatur, die wahrscheinlich überhaupt nichts mit den echten Delphae zu tun hat, entstand aus diesen lächerlichen literarischen Wurzeln. Doch nach einigen Jahrhunderten diesen Unsinns waren die Möglichkeiten der ländlichen Tradition so ziemlich erschöpft. Also begannen unsere Poeten herumzuirren – wie unbeaufsichtigte Schafe, wenn ich diese Redewendung auf sie ausdehnen darf. Irgendwann im vergangenen Jahrhundert gelangten sie zu der Ansicht, daß die Delphae eine nichtstyrische Art von Magie ausüben. Darüber erregten sich meine styrischen Kollegen an der Universität jedesmal ungemein.« Itagne blickte über die Schulter, um sich zu vergewissern, daß Sephrenia, die auch jetzt mit Berit in der Nachhut ritt, außer Hörweite war. »Was viele an den Styrikern stört, ist diese schwammige Mischung aus Überheblichkeit und anklagendem Selbstmitleid. Will man an der Universität einen Styriker ärgern, braucht man in seiner Gegenwart lediglich ›delphaeische Magie‹ zu sagen, und schon geht er hoch wie ein Feuerwerkskörper.«
    »Habt Ihr auch nur die geringste Erklärung für Sephrenias Reaktion auf die Delphae?« fragte Vanion mit besorgter Miene. »Ich habe noch nie erlebt, daß sie sich so benimmt.«
    »Ich kenne die erhabene Sephrenia nicht so gut, Hochmeister Vanion. Doch ihr Aufbrausen, als ich das erste Mal delphaeische Literatur erwähnte, gibt mir zu denken. In Xadane gibt es einen kurzen Abschnitt, der darauf hindeutet, daß die Styriker während des Krieges, in dem die Cyrgai angeblich ausgerottet wurden, mit den Delphae verbündet waren. Offensichtlich berief sich dieser Vers auf eine sehr obskure Stelle in einem historischen Text aus dem siebten Jahrhundert. Darin wird ein Verrat erwähnt, doch nicht viel mehr. Als der Krieg gegen die Cyrgai begann, setzten die Styriker sich offenbar mit den Delphae in Verbindung und brachten sie durch ein Täuschungsmanöver dazu, die Cyrgai von Osten

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