Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
einer anderen Rasse. Sie ist größer als die größten Peloi, und sie ist schöner als alle Frauen, die ich je gesehen habe. Das allein würde schon genügen, die Herzen von Peloifrauen mit Neid zu erfüllen. Ihr habt gesehen, wie Tikumes Frau Vida sie angeschaut hat, nicht wahr?«
Engessa nickte.
»Die Frauen meines Volkes werden Mirtai noch mehr hassen. Sie wird Doma, die Frau des Domi, und damit die Erste unter den Frauen. Um die Sache noch zu komplizieren, wird sie eine der reichsten aller Peloi.«
»Wie das?«
»Ich habe es zu etwas gebracht. Meine Herden sind gewachsen, und ich habe fleißig geplündert. Mein ganzes Vermögen wird Mirtai gehören. Sie wird riesige Schaf- und Rinderherden ihr eigen nennen. Die Pferdeherden bleiben allerdings mein Besitz.«
»Ist das Sitte bei den Peloi?«
»O ja. Schafe und Rinder sind Nahrung: demzufolge gehören sie den Frauen, wie auch die Betten und Wagen. Das Gold, das wir vom König für zemochische Ohren bekommen, gehört allen gleichermaßen. So bleiben uns Männern der Peloi als einziges unsere Waffen und Pferde. Wenn man es recht bedenkt, gehört den Frauen alles, und wir Männer widmen unser Leben dem Schutz ihres Eigentums.«
»Das sind seltsame Sitten, Freund Kring.«
Kring zuckte die Schultern. »Ein Mann sollte seinen Kopf nicht mit Gedanken an Besitz belasten. Es lenkt ihn nur ab, wenn er kämpfen muß.«
»Eine Ansicht, der man kaum widersprechen kann, mein Freund. Wer kümmert sich um Euren Besitz, bis Ihr heiratet?«
»Meine Mutter. Sie ist eine vernünftige Frau, und eine Schwiegertochter wie Mirtai wird ihr Ansehen beträchtlich steigern. Die Peloifrauen geben einiges auf meiner Mutter Meinung. Ich hoffe, es gelingt ihr, die Dinge in den Griff zu bekommen – zumindest unter meinen Schwestern.« Er lachte, »Ich freue mich jetzt schon auf ihre Gesichter, wenn ich ihnen Mirtai vorstelle und sie ihr Ehrerbietung erweisen müssen. Ich mag meine Schwestern nicht besonders. Sie beten jede Nacht um meinen Tod.«
»Eure eigenen Schwestern?« fragte Engessa betroffen.
»Ja, sicher. Wenn ich sterbe, bevor ich verheiratet bin, geht mein gesamter Besitz auf meine Mutter über, und meine Schwestern werden alles erben. Sie betrachten sich jetzt schon als vermögende Frauen. In der fälschlichen Hoffnung, einmal alles zu erben und dann mit ihrem Reichtum zu protzen, haben sie bereits einige durchaus annehmbare Freier abgelehnt. Ich war bisher immer zu sehr damit beschäftigt, Krieg zu führen, als daß ich an eine Heirat gedacht hätte. Und mit jedem Jahr, das verging, fühlten meine Schwestern sich des Besitzes der Herden sicherer.« Er grinste. »Mirtais plötzliches Erscheinen wird sie aus der Fassung bringen, fürchte ich. Ein Brauch unseres Volkes gebietet, daß eine Braut vor der Hochzeit zwei Monate im Zelt der Mutter ihres Versprochenen verbringt, um alles zu lernen, was sie über ihn wissen muß. Während dieser Zeit werden meine Mutter und Mirtai auch Ehemänner für alle meine Schwestern auswählen; denn zu viele Frauen in einem Zelt – das kann nicht gutgehen. Und das wird meinen Schwestern den Rest geben. Vermutlich werden sie versuchen, Mirtai zu ermorden. Ich werde ihnen natürlich davon abraten«, fügte er salbungsvoll hinzu. »Schließlich bin ich ihr Bruder. Aber ich bin sicher, daß meine Schwestern nicht auf mich hören werden – zumindest nicht, ehe Mirtai ein paar von ihnen getötet hat. Aber ich habe sowieso zu viele Schwestern.«
»Wie viele?« wollte Engessa wissen.
»Acht. Ihr Rang wird sich erheblich ändern, wenn ich heirate. Bis jetzt betrachtet man sie allesamt als reiche Erbinnen. Nach meiner Hochzeit aber sind sie mittellose Jungfern und bei jedem Bissen von Mirtai abhängig. Ich glaube, dann werden sie bitter bereuen, daß sie ihren Freiern einen Korb gegeben haben. – Schleicht dort jemand durch die Schatten bei der Hauswand?«
Engessa blickte zum Gebäude des Innenministeriums. »Sieht ganz so aus! Fragen wir ihn, was er hier zu suchen hat. Es wäre keine gute Idee, irgend jemanden ins Haus zu lassen, solange Atana Mirtai und die Unterweltkönige noch dort zu tun haben.«
»Stimmt.« Kring zog seinen Säbel ein Stück aus der Scheide, und das ungleiche Paar schlich über den Rasen, um den huschenden Schatten nahe der Hauswand aufzuhalten.
Ehlana blickte von Sperbers Brief auf. »Wie weit ist es von hier nach Tega, Sarabian? Luftlinie, meine ich?«
Sarabian hatte sein Wams abgelegt und bot in seinem engen Beinkleid
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