Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
spricht nicht für deinen Geschmack was Literatur angeht, alter Junge.«
Sarabian blickte ihn verwirrt an.
»Thalesier sind geradezu süchtig nach kitschigen Geistergeschichten, Majestät«, erklärte Caalador.
»Das verschafft den Schreibstuben in Emsat stets Arbeit. Nach großer Literatur wird heutzutage ja kaum mehr verlangt.« Stragen zuckte die Schultern. »Bei uns wird eine ganze Menge höchst beliebter Schundliteratur in schmutzigen Seitengassen gehandelt – haarsträubende Geschichten, die in finsteren Sturmnächten auf Totenäckern oder in Spukhäusern spielen. Die Dirnen von Emsat verschlingen diese Bücher. Ich vermute, die Polizisten des Innenministeriums teilen ihren Geschmack. Schließlich ist ein Polizist so was wie eine Hure, denn er ist ebenso käuflich, nicht wahr?«
»Ich bin da nicht ganz mitgekommen«, gestand Mirtai. »Und ich weiß auch nicht, ob ich es überhaupt möchte. Vermutlich heckt ihr wieder etwas Abscheuliches aus, Stragen. – Caalador, würdet Ihr aufhören, so zu gähnen? Euer Gesicht sieht aus wie ein offenes Scheunentor!«
»Ich bin müde, Schätzchen. Ihr zwei habt mich nach meiner Schlafenszeit viel zu lange wachgehalten!«
»Dann geht zu Bett. Wenn Ihr Euren Mund so weit aufreißt, während Ihr mich anseht, schmerzen mir die Kiefer.«
»Ihr solltet jetzt alle schlafen gehen«, riet Ehlana ihnen. »Ihr seid nun die offiziellen königlichen Einbrecher, und ihr würdet Sarabian und mich zu Tode blamieren, wenn ihr mitten beim Einbruch einschlaft.«
»Wollen wir die Sache praktischer angehen?« fragte Caalador, während er sich erhob. »Ich kann bis zum Abend zwei Dutzend berufsmäßige Einbrecher hierher bringen, und bis zum Morgengrauen sind alle Geheimnisse des Innenministeriums in unserer Hand.«
»Und bis morgen nachmittag weiß das ganze Innenministerium, daß wir sie haben«, wandte Stragen ein. »Unser behelfsmäßiges Spitzelnetz hat Lücken, Caalador. Wir hatten nicht genug Zeit, alle unsicheren Kantonisten zu entfernen.«
»So große Eile besteht nun auch nicht, meine Herren«, versicherte Ehlana ihnen. »Selbst wenn wir die im Innenministerium versteckten Dokumente tatsächlich finden, können wir nichts in dieser Sache unternehmen, ehe mein vom Weg abgekommener Gemahl nicht wieder nach Hause gefunden hat.«
»Wie könnt Ihr so sicher sein, daß Sperber Euch täuscht, Ehlana?« fragte Sarabian.
»Weil es seinem Wesen entspricht. Sperber hat sein ganzes Leben meinem Schutz gewidmet. Natürlich ist das schrecklich lieb von ihm, aber manchmal auch äußerst lästig. Er hält mich immer noch für ein kleines Mädchen – obwohl ich ihm weiß Gott oft genug bewiesen habe, daß er sich da täuscht. Zur Zeit unternimmt er irgend etwas Gefährliches und möchte nicht, daß ich mir Sorgen um ihn mache. Er hätte mir nur zu sagen brauchen, was er beabsichtigt, und mir die Gründe nennen sollen, wieso er es für notwendig hält. Ich weiß, es fällt euch Männern schwer zu glauben, daß auch Frauen vernünftig sind – und viel praktischer veranlagt als ihr!«
»Ihr seid sehr streng, Ehlana«, warf Sarabian ihr vor.
»Nein, ich sehe die Dinge nur realistisch. Sperber tut, was er glaubt, tun zu müssen – egal, was ich sage. Ich habe gelernt, das hinzunehmen. Aber ich will eigentlich nur sagen, daß wir in dieser Sache nicht das Geringste unternehmen können, solange Sperber und die übrigen noch am anderen Ende der Welt durch die Gegend streifen. Dabei spielt es keine Rolle, was wir im Innenministerium ans Licht bringen. Wir werden das Ministerium auflösen und ein Viertel der kaiserlichen Polizei in die Kerker werfen. Anschließend rufen wir in ganz Tamuli den Ausnahmezustand aus, und die Ataner sorgen dafür, daß unsere Befehle befolgt werden. Der daresische Kontinent wird wie ein Ameisenhaufen aussehen, über den die Reiterei hinweggedonnert ist. Da ich nicht weiß, was Sperber tut, habe ich keine Ahnung, wie er auf dieses Chaos reagieren wird. Ich werde jedenfalls nicht zulassen, daß ihr ihn in noch größere Gefahr bringt; denn ich bin sicher, daß er sich bereits in sehr großer Gefahr befindet.«
»Wißt Ihr was, Ehlana?« sagte Sarabian. »Ihr seid sogar noch mehr um Sperber besorgt als er um Euch.«
»Natürlich. Darum geht es in der Ehe schließlich.«
Sarabian seufzte. »In keiner von meinen.«
»Weil Ihr zu viele Gemahlinnen habt und Eure Zuneigung planmäßig verteilen müßt, Sarabian. Jede Eurer Frauen gibt Euch nur soviel Liebe, wie Ihr
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