Tamuli 3 - Das Verborgene Land
hatte. König Androl atmete ein wenig schwer, als er den Grat überquerte und seine Streitkräfte durch den Paß führte. Ein Feldzug war zwar anstrengend, aber bei weitem nicht so sehr wie die nutzlosen Gespräche mit Botschafter Norkan, die ihn wertvolle Zeit gekostet und die Geduld geraubt hatten. Ein Krieger sollte sich nie vom Übungsplatz fortlocken lassen.
Androl rannte ein wenig schneller, während er seine Armee am Südufer des tosenden Wildbachs hinunter in die Klamm führte. Er ging davon aus, daß seine Krieger ebenfalls Ermüdungserscheinungen zeigten und hoffte, am Samasee eine geeignete Stelle für ein Lager mit riesigem Übungsgelände zu finden, auf dem die notwendigen Waffen- und Körperübungen durchgeführt werden konnten, um die Männer wieder in Höchstform zu bringen. Insgeheim war Androl sicher, jeden Gegner besiegen zu können, solange seine Krieger gut ausgebildet und in bester körperlicher Verfassung waren.
»Androl-König!« brüllte General Pemaas über das Tosen des Wildbachs hinweg. »Seht!«
»Was ist?« rief Androl zurück und griff zum Schwert, während er sich bereits umdrehte. »Oben an der Klamm – rechts!«
Androl legte den Kopf weit in den Nacken, um die steile Felswand hinaufzuspähen. Der König von Atan hatte in seinem Leben schon vieles gesehen, doch nichts glich dieser gigantischen, monströsen Gestalt, die sich plötzlich über ihnen erhob. Das Monstrum war von glänzendem Schwarz, wie poliertes Leder, und besaß ungeheure, ausgebreitete Schwingen, die in der Form jenen von Fledermäusen ähnelten. Feurige Augenschlitze und ein klaffendes Maul, aus dem Feuer troff, ließen seinen keilförmigen Kopf noch furchterregender erscheinen.
König Androl betrachtete das Ungeheuer und überlegte. Das Problem bestand natürlich darin, daß die monströse Gestalt sich dort oben am Rand der Klamm befand, während er und seine Krieger unten auf der Sohle standen.
Natürlich könnte er den Weg, den er gekommen war, zurück und hinauf zum Paß rennen, um die Felsblöcke klettern und auf diese Weise den Rand erreichen. Aber das würde der Kreatur eine zu gute Gelegenheit verschaffen, die Flucht zu ergreifen, und er müßte ihr nachjagen, um sie töten zu können. In seiner derzeitigen Verfassung wäre das ziemlich umständlich. Natürlich könnte er einfach die Felswand hinaufklettern, doch auch das würde Zeit kosten. Außerdem könnte die Kreatur ihn vermutlich sehen und würde zu fliehen versuchen.
Erstaunlicherweise sorgte die riesige Kreatur selbst für die Lösung des Problems. Sie erhob die gewaltigen Arme und begann mit irgend etwas, das ein Feuer besonderer Art zu sein schien, auf den Fels über der Klamm einzuschlagen.
Androl lächelte, als die steinerne Wand langsam nach außen kippte und donnernd in die Klamm rutschte. Die einfältige Bestie sorgte zuvorkommend für die Möglichkeit ihrer eigenen Vernichtung. Wie konnte sie nur so dumm sein?
König Androl wich geschickt einem herabpolternden Felsblock aus und schätzte sorgfältig den rasch wachsenden Geröllhaufen ab, der sich um den Fuß der Klammwand bildete.
Die Bestie hatte doch tatsächlich die Absicht, anzugreifen! Androl lachte erfreut. Die Kreatur war ebenso töricht wie tapfer, doch Tapferkeit war eine Eigenschaft, die er auch an seinen Feinden bewunderte. Schließlich wußte das ganze Universum, daß Androl von Atan unbesiegbar war. Dennoch wollte dieses arme, hirnlose Vieh seine kümmerliche Kraft gegen den mächtigsten Krieger aller Zeiten einsetzen.
Androl blickte abwartend auf den steilen, zusehends wachsenden Geröllhang, ohne auf die Schreie jener Soldaten zu achten, die nicht behende genug waren, der auf sie herabpolternden Steinlawine auszuweichen. Ah, fast hoch genug! Nur noch ein paar Fuß… … und dann besaß der Hang nach Androls Schätzung die richtige Höhe, ihm Zugang zu der dummen Kreatur zu gewähren, die da hoch oben brüllte und mit den mächtigen Flügeln schlug. Androl wich einem weiteren Felsbrocken aus und begann seinen Ansturm. Kletternd, ausweichend, springend, näherte er sich rasch der dem Untergang geweihten Bestie hoch über ihm.
Als er fast oben war, blieb er kurz stehen, zog sein Schwert und wappnete sich für den Angriff.
Und dann stürmte er mit einem wilden Schlachtruf das letzte Stück des Hanges hinauf, ohne den flüchtigen Anflug von Mitleid zu beachten, den er für die tapfere, aber so schrecklich dumme Kreatur empfand, die er jetzt töten würde.
»Wo wollt
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