Tamuli 3 - Das Verborgene Land
keine Bäume!«
»Es müßte dort zwischen den Bäumen Kreaturen geben, die gut-zu-essen sind, Bhlokw«, versicherte Ulath ihm. »Das wollte Tin-jan damit sagen. Es war nicht sein Gedanke, dich zu beleidigen.«
Bhlokw funkelte Tynian kurz an. »Ich gehe jetzt jagen!« sagte er abrupt. Damit drehte er sich um und schlurfte davon.
»Du mußt vorsichtig sein, Tynian«, warnte Ulath seinen Freund. »Wenn du es darauf anlegst, daß ein Troll über dich herfällt, brauchst du nur durchblicken zu lassen, daß er möglicherweise ein Oger ist.«
»Haben die tatsächlich Vorurteile?« staunte Tynian.
»Und wie«, erwiderte Ulath. »Trolle und Oger hassen einander seit Anbeginn der Zeit.«
»Und ich dachte, Voreingenommenheit wäre ausschließlich eine unschöne Eigenschaft der Menschen.«
»Leider nicht. Komm, folgen wir Sperber und machen ihn auf uns aufmerksam. Vielleicht hat er was für uns zu tun.«
Sie folgten der Bierkarawane, die soeben die geräumten Straßen verließ und sich jenem Teil von Natayos näherte, der noch von Gestrüpp überwuchert war. Die Wagen holperten über einen erst kürzlich freigeräumten Weg und bogen dann zur Rückseite eines mit Zeltplanen bedeckten Gebäudes ein, an dem ein schlichtes Schild mit der Aufschrift »BEI SENGA« hing.
»Auf eine Sache kann man sich verlassen«, sagte Tynian. »Wo es Bier gibt, ist Kalten nicht weit.«
»Das stimmt«, bestätigte Ulath. »Warte hier. Ich sag' Sperber Bescheid, daß wir in Natayos sind.« Er schlenderte hinüber zu Sperber, Kalten und Bevier, die – mit ihren veränderten Zügen ungewohnt aussehend – ein wenig abseits standen, während Senga das Entladen der Fässer überwachte. »Widderhorn«, sagte Ulath leise. »Laßt euch nichts anmerken und fangt nicht an, euch umzuschauen. Ihr könnt mich nicht sehen.« »Ulath?« staunte Kalten.
»Stimmt genau. Tynian, Bhlokw und ich kamen gestern an. Wir haben uns inzwischen umgesehen.«
»Wie ist es euch gelungen, unsichtbar zu bleiben?« fragte der scheinbar einäugige Bevier.
»Wir sind es eigentlich gar nicht. Ghnomb bricht die Sekunden in zwei Teile. Wir sind nur während des kleineren Teils gegenwärtig. Deshalb könnt ihr uns nicht sehen.«
»Aber ihr könnt uns sehen?«
»Ja.«
»Das ist gegen jede Logik!«
»Ich weiß, aber Ghnomb glaubt, daß es funktioniert, und ich nehme an, daß sein Glaube stärker ausgeprägt ist als sein logisches Denkvermögen. Wie dem auch sei, Tynian und ich sind hier, und niemand kann uns sehen. Habt ihr etwas für uns zu tun?«
»Könnt ihr euch in das Haus beim Tor einschleichen?« fragte Sperber rasch. »Das mit den vergitterten Fenstern?«
»Unmöglich. Wir haben es bereits in Erwägung gezogen. Viel zu viele Wachen an den Türen! Bhlokw hat sogar versucht, durchs Dach hineinzukommen, aber es ist ihm nicht gelungen.«
»Meine Frau ist in diesem Haus, Ulath!« stieß Sperber hervor. »Soll das heißen, daß ihr versucht habt, einen Troll hineinzuschicken?«
»Bhlokw hätte ihr ganz bestimmt nichts getan, Sperber – vielleicht hätte er sie ungewollt erschreckt, aber er hätte ihr wirklich nichts angetan. Wir dachten, es könnte ihm vielleicht gelingen, durchs Dach einzudringen, sich Ehlana und Alean unter die Arme zu klemmen und rauszutragen.« Ulath machte eine Pause. »Im Grunde war es gar nicht unsere Idee, Sperber. Bhlokw hat sich erboten – na ja, eigentlich nicht einmal das. Er ist einfach die Wand hinaufgeklettert, ehe wir ihn aufhalten konnten. Er sagte: ›Ich werde sie holen. Ich werde Anakhas Gefährtin und ihre Freundin herausbringen, dann können wir alle diese Kinder von Cyrgon töten und essen.‹ Bhlokw ist manchmal ein wenig impulsiv, aber er hat das Herz am rechten Fleck. Ich gebe es ungern zu, aber so langsam mag ich ihn.« Kalten schaute sich nervös um. »Wo ist er jetzt?« fragte er.
»Auf Jagd. Als wir uns in den Küstenstädten herumtrieben, konnten wir ihn davon abbringen, Menschen zu fressen und statt dessen lieber Hunde zu vertilgen. Seitdem hat er sich von Hunden ernährt. Sie schmecken ihm wirklich vorzüglich. Aber hier in Natayos gibt es keine Hunde. Deshalb schaut er sich im Wald um – wahrscheinlich jagt er Elefanten oder dergleichen.« Aus den Augenwinkeln sah Ulath plötzlich einen eigentümlich flackernden Lichtschein. »Was, in Gottes Namen, ist das?« entfuhr es ihm. »Was?« fragte Kalten und schaute sich verblüfft um.
»Da kommt gerade irgendwas um die Hausecke, das wie aus Regenbogen gemacht ist!«
Weitere Kostenlose Bücher