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Tamuli 3 - Das Verborgene Land

Tamuli 3 - Das Verborgene Land

Titel: Tamuli 3 - Das Verborgene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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eine Gefahr, der sie ihr Leben lang ausgesetzt sein würde. Er hätte Ehlana niemals heiraten dürfen. Natürlich liebte er sie – aber war es ein Beweis der Liebe, sie solcher Bedrängnis auszusetzen? Lautlos verfluchte er seine Schwäche, diese lächerliche Idee auch nur in Erwägung gezogen zu haben, als Ehlana das Thema Ehe zum erstenmal zur Sprache brachte. Er war Soldat, und Soldaten sollten niemals heiraten – schon gar nicht von Narben gezeichnete, ramponierte alte Veteranen mit zu vielen Jahren auf dem Buckel, zu vielen Schlachten hinter und noch zu vielen Feinden um sich. War er ein selbstsüchtiger alter Narr gewesen? Ein verachtenswerter, halb seniler Lüstling, dem es nur darum ging, sich in der Verliebtheit eines törichten jungen Mädchens zu sonnen? Ehlana hatte in ihrer Unreife beteuert, daß sie sterben würde, wenn er sie nicht zur Frau nahm. Doch er wußte, was von solchen Behauptungen zu halten war. Menschen starben von einem Schwertstoß in den Leib oder an Altersschwäche, aber gewiß nicht an unerwiderter Liebe. Er hätte Ehlana ins Gesicht grinsen und ihren lächerlichen Befehl einfach nicht beachten sollen. Dann hätte er eine passende Vermählung für sie in die Wege leiten können – mit einem gutaussehenden jungen Edelmann aus bestem Hause mit erstklassigen Manieren und einem Beruf, der keine Gefahren barg. Hätte er so gehandelt, befände sie sich nun in Cimmura, in Sicherheit, statt in den Händen von Verrückten, verderbten Zauberern und fremden Göttern, denen Ehlanas Leben nicht das geringste bedeutete.
    Doch alle redeten und redeten. Als ob es in dieser Sache überhaupt eine Wahl gäbe! Nein, Sperber würde den Anweisungen folgen, weil Ehlanas Leben davon abhing. Natürlich würden die anderen ihn umzustimmen versuchen, doch ihre Argumente würden ihn nur noch mehr in Wut versetzen. Das beste wäre, sich mit Bhelliom und Khalad klammheimlich aus Matherion zu stehlen, ohne den anderen noch länger die Chance zu geben, ihn, Sperber, mit ihrem sinnlosen Gerede verrückt zu machen. Der Hauch eines frühlingshaften Lüftchens an seiner Wange und ein sanftes Stupsen an seiner Hand rissen ihn aus seinen düsteren Überlegungen.
    »Es lag nicht in meiner Absicht, Euch in Euren Gedanken zu stören, Herr Ritter«, entschuldigte sich das weiße Reh, »aber meine Herrin möchte mit Euch sprechen.« Sperber riß überrascht den Kopf herum. Er saß nicht mehr im blauen Salon in Matherion, und die Stimmen der anderen waren dem sanften Plätschern von Wellen an einem goldenen Sandstrand gewichen. Sperbers Sessel stand plötzlich auf dem Marmorboden von Aphraels Tempel auf der kleinen grünen Insel, die sich smaragdgleich aus der See erhob. Unter dem regenbogenfarbenen Himmel säuselte der Wind im Laub der uralten Eichen, die den Alabastertempel umstanden. »Ihr habt mich vergessen«, klagte das weiße Reh, und Bedauern sprach aus den sanften Augen.
    »Nie!« versicherte er ihm. »Ich werde mich immer an dich erinnern, teures Wesen; denn ich liebe dich noch immer so sehr wie bei unserer ersten Begegnung.« Die Worte kamen wie von selbst über Sperbers Lippen.
    Das Reh seufzte glücklich und legte den schneeweißen Kopf auf seinen Schoß. Er streichelte den Hals des Tieres und blickte um sich.
    Die Kindgöttin Aphrael, ganz in Weiß gewandet und von einem leuchtenden Strahlenkranz umgeben, saß auf einem Ast einer der Eichen ganz in der Nähe. Sie hob ihre Syrinx und spielte eine fast spöttische, trillernde Melodie.
    »Was führst du jetzt im Schilde, Aphrael?« rief Sperber zu ihr hinauf und verdrängte mit voller Absicht die blumige Sprache, die ihm über die Lippen wollte.
    »Ich dachte, du möchtest dich vielleicht unterhalten«, antwortete sie und senkte die Flöte. »Wolltest du wirklich noch länger in Selbstmitleid schwelgen? Bist du ein Mönch, der sich kasteien will? Soll ich dir eine Peitsche geben, damit du dich geißeln kannst? Nimm dir ruhig so viel Zeit, wie du willst, Vater. Dieser Augenblick, jetzt und hier, wird so lange dauern, wie es mir beliebt.« Sie streckte ein grasfleckiges Füßchen aus, stellte es in die Leere und stieg gelassen eine unsichtbare Treppe zu dem marmornen Fußboden des Tempels hinunter. Dort ließ sie sich anmutig nieder, überkreuzte die Beine an den Fußgelenken und hob ihre Syrinx wieder an die Lippen. »Stört es deine düsteren Grübeleien sehr, wenn ich spiele?« »Was bildest du dir eigentlich ein?« rief er heftig.
    Sie zuckte die Schultern.

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