Tamuli 3 - Das Verborgene Land
»Na ja«, erklärte der Wirt mit winselnder Stimme. »Ich weiß nicht. Es ist unsere Hauptsaison …«
»Spätherbst?« unterbrach Tynian ihn ungläubig. »Das ist Eure Hauptsaison?« »Na ja, da sind die vielen Fuhrleute, von denen ich nie genau weiß, wann sie kommen, versteht Ihr …?«
Ulath blickte über die Schulter des Wirtes in die niedrige, verrauchte Schankstube. »Ich zähle drei Mann!« sagte er finster.
»Jeden Moment können weitere kommen«, rief der Wirt ein bißchen zu hastig. »Natürlich«, sagte Tynian sarkastisch. »Aber wir sind jetzt hier, und wir können bezahlen. Wollt Ihr Euch einen sicheren Verdienst entgehen lassen, nur weil gegen Mitternacht vielleicht irgendein Fuhrwerk hier anhält?«
»Mit zwei ausgemusterten Veteranen will er nichts zu tun haben, Korporal«, sagte Ulath. »Komm, reden wir mit dem hiesigen Armeekommissar. Den wird es bestimmt interessieren, wie dieser Bursche Soldaten seiner kaiserlichen Majestät behandelt!« »Ich bin ein ergebener Untertan seiner kaiserlichen Majestät!« rief der Wirt rasch. »Es wird mir eine Ehre sein, tapfere Veteranen der Armee zu beherbergen, und …« »Wieviel?« unterbrach Tynian den Mann. »Eine halbe Krone?«
»So ganz klar scheint er sich nicht zu sein, oder was meinst du, Sergeant?« brummte Tynian; dann wandte er sich wieder an den nervösen Wirt. »Wir wollen das Zimmer nicht kaufen, Mann! Wir wollen nur eine Nacht darin schlafen!«
Ulath starrte den jetzt verängstigten kleinen Tamuler finster an. »Acht Kupfer!« entgegnete er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. »Acht?« protestierte der Wirt schrill.
»Nehmt es, oder laßt es bleiben – aber entscheidet Euch schnell. Wir brauchen noch ein wenig Tageslicht, um den Armeekommissar aufzusuchen.« »Ihr seid ein harter Mann, Sergeant!«
»Niemand hat behauptet, daß das Leben leicht ist, nicht wahr?« Ulath zählte ein paar Münzen ab und klimperte damit. »Wollt Ihr sie, oder wollt Ihr sie nicht?«
Nach einem Moment qualvoller Unentschlossenheit griff der Wirt zögernd nach dem Geld.
»Du hast der Sache den ganzen Spaß genommen«, beklagte sich Tynian, als sie auf den Hof zurückkehrten, um ihre Pferde zu versorgen.
»Ich habe Durst.« Ulath zuckte die Schultern. »Außerdem würden Exsoldaten schon im vorhinein wissen, wieviel sie zu zahlen bereit sind.« Er kratzte sich im Gesicht. »Ob es Ritter Gerad wohl etwas ausmachen würde, wenn ich seinen Bart abrasiere? Dieses Gestrüpp juckt wie verrückt!«
»Es ist nicht wirklich Gerads Gesicht, Ulath. Es ist nach wie vor deines. Du bist nur auf eine Weise verändert worden, daß du wie Gerad aussiehst.«
»Ja, aber wenn die Damen unsere Gesichter wieder dorthin zaubern, wo sie waren, werden sie dieses als Modell für Gerad nehmen. Und wenn ich mich rasiere, steht er mit einem nackten Gesicht da. Das wird ihm vielleicht nicht gefallen.«
Sie nahmen ihren Pferden die Sättel ab, führten die Tiere in den Stall und kehrten ins Haus zurück, um sich in die Gaststube zu setzen. Tamulische Schenken waren anders als elenische. Beispielsweise waren die Tische viel niedriger, und statt mit einem offenen Kamin beheizte man die Stube mit einem Porzellanofen, obwohl dieser Ofen nicht weniger rauchte als eine offene Feuerstelle. Der Wein wurde in dünnen kleinen Bechern serviert, das Bier in billigen Zinnkrügen. Die Geruchsmischung in der Schankstube war jedoch nicht viel anders als in elenischen Gasthäusern.
Ulath und Tynian nahmen gerade einen Schluck aus ihrem zweiten Krug Bier, als ein sich übertrieben geschäftig gebender Tamuler in einem Umhang, von dem man die Speisekarte der letzten Wochen ablesen konnte, direkt zu ihrem Tisch marschierte. »Ich möchte eure Entlassungspapiere sehen, wenn ihr nichts dagegen habt«, sagte er von oben herab. »Und wenn doch?« brummte Ulath. Der Beamte blinzelte. »Was?«
»Ihr sagtet, wenn wir nichts dagegen haben. Was ist, wenn doch?« »Ich habe die Befugnis, diese Dokumente zu überprüfen.«
»Warum habt Ihr das dann nicht gleich gesagt?« Ulath langte unter seinen roten Uniformrock und zog ein eselsohriges Stück Papier hervor. »In unserem alten Regiment haben Vorgesetzte nie um irgend etwas gebeten, sondern es befohlen!« Der Tamuler las die Dokumente, die Oscagne als Teil ihrer Tarnung besorgt hatte. »Scheinen in Ordnung zu sein«, sagte er schließlich in etwas versöhnlicherem Tonfall. »Tut mir leid, wenn ich ein wenig unfreundlich war. Aber wir haben den
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