Tamuli 3 - Das Verborgene Land
Befehl erhalten, nach Fahnenflüchtigen Ausschau zu halten – wegen der Unruhen, ihr wißt schon. Wie es scheint, dienen manche Männer gar nicht gern in der Armee, weil sie das Gefühl haben, gegen Windmühlen zu kämpfen.« Er blickte die Gefährten fast ein bißchen neidisch an. »Ihr wart also in Matherion stationiert.«
Tynian nickte. »Es war ein ruhiger Posten. Allerdings gab es ziemlich viele Inspektionen, und ständig mußte alles blitzblank sein! Setzt Euch doch, Kommissar.« Der Tamuler lächelte schwach. »Leider nur Unterkommissar, Korporal. Für diesen hinterwäldlerischen Bezirk gibt es keine Kommissar-Planstelle.« Er sank auf einen Stuhl. »Wohin wollt ihr, Männer?« »Nach Hause«, antwortete Ulath. »Nach Verel in Dakonien.«
»Verzeiht meine Offenheit, Sergeant, aber Ihr seht gar nicht wie ein Dakonier aus.« Ulath zuckte die Schultern. »Ich gerate mehr nach meiner Mutter. Sie war Astelerin. Aber verratet mir eines, Unterkommissar – können wir viel Zeit sparen, wenn wir den Weg durch die Berge nach Sopal nehmen? Von dort könnten wir das Binnenmeer von Arjun mit einer Fähre oder einem Handelsschiff bis nach Tiana überqueren und dann nach Saras hinunterreiten. Von dort ist es ja nicht mehr weit nach Verel.«
»Ich kann euch nur raten, euch von den Tamulischen Bergen fernzuhalten, meine Freunde.«
»Schlechtes Wetter?« fragte Tynian.
»Damit ist zu dieser Jahreszeit immer zu rechnen, Korporal; das habe ich nicht gemeint. Man hört so allerlei Erschreckendes aus diesen Bergen. Anscheinend haben die Bären sich ungewöhnlich stark fortgepflanzt und sich wie die Hasen vermehrt. Jeder Reisende, der in den letzten Wochen von dort kam, hat diese Bestien gesehen. Glücklicherweise sind sie bisher alle vor den Menschen geflüchtet.« »Bären, sagtet Ihr?«
Der Tamuler lächelte. »Das ist meine Übersetzung. Die unwissenden Bauern in dieser Gegend benutzen das Wort Ungeheuer. Aber wir wissen ja alle, was eine große, zottige Kreatur ist, die in den Bergen haust, nicht wahr?«
»O ja! Bauern lassen sich leicht ins Bockshorn jagen, stimmt's?« Ulath lachte und leerte seinen Krug. »Wir waren mal auf Manöver, als ein Bauer auf uns zugerannt kam und behauptete, er würde von einem Rudel Wölfe verfolgt. Als wir uns umschauten, entdeckten wir nur einen einsamen Fuchs. Größe und Zahl wilder Tiere, die ein Bauer sieht, erhöhen sich offenbar mit jeder Stunde.« »Oder jedem Krug Bier«, warf Tynian ein.
Sie unterhielten sich noch eine Zeitlang mit dem nun recht umgänglichen Beamten, bis dieser ihnen schließlich eine gute Heimreise wünschte und die Schankstube verließ.
»Gut zu wissen, daß die Trolle es so weit in den Süden geschafft haben«, sagte Ulath erfreut. »Ich hätte keinen gesteigerten Wert darauf gelegt, sie erst suchen zu müssen.«
»Sie werden von ihren Göttern geführt, Ulath«, erinnerte Tynian den Gefährten. »Du kennst die Trollgötter nicht.« Ulath lachte. »Ihr Orientierungssinn läßt ziemlich zu wünschen übrig – wahrscheinlich, weil ihr Kompaß nur zwei Richtungen kennt.« »Ach?«
»Norden und Nichtnorden. Das erschwert es ein wenig, bestimmte Orte zu finden.«
Das Unwetter war einer der kurzen, heftigen Stürme, wie sie im Spätherbst scheinbar aus dem Nichts zu kommen pflegen. Khalad hatte die Möglichkeit ausgeschlossen, im Salzsumpf irgendeine Art von Unterschlupf zu finden, und sich statt dessen dem Strand zugewendet.
Am Ende einer schmalen Bucht entdeckte er genau das, was er gesucht hatte: einen riesigen Haufen angeschwemmten Holzes. Nach etwa zwei Stunden pausenloser Arbeit hatten er und Berit an der windabgekehrten Seite einen brauchbaren, ja, fast gemütlichen Unterschlupf errichtet.
Bei Einbruch der Dunkelheit brach der Sturm los. Er jagte heulend durch den gewaltigen Treibholzhaufen, warf die Brandung donnernd an den Strand und jagte die Wassermassen des Regens horizontal über den Boden.
Doch Khalad und Berit saßen im Warmen und Trockenen. Sie lehnten mit den Rücken an dem riesigen, gebleichten Stamm, der die Rückseite ihres Unterschlupfes bildete, und streckten dem prasselnden Feuer die Füße entgegen.
»Du versetzt mich immer wieder in Erstaunen, Khalad«, gestand Berit. »Wie konntest du wissen, daß sich unter all diesem Treibholz auch Bretter befinden?«
Khalad zuckte die Schultern. »Weil es meist so ist. Wenn so riesige Berge Treibholz angespült werden, ist immer bearbeitetes Bauholz darunter. Schiffe werden aus Balken und
Weitere Kostenlose Bücher