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Tangenten

Tangenten

Titel: Tangenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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stand in ihren Gesichtern geschrieben. Sie schämten sich nicht im geringsten für das Leben, das sie geführt hatten. Sie wollten weiterhin tun, was sie getan hatten, das sie hierhergeführt hatte – plündern, verletzen, insbesondere mich verletzen.
    »Dummer Esel, Saftsack«, sagte einer von ihnen, starrte mich unter dünnen, ausdrucksvollen Augenbrauen an. Er nickte und schwang seine Fäuste, versuchte von außen gegen die Latten zu schlagen, aber die Schläge versetzten sie kaum in Schwingung.
    Eine alte Frau mit weißem, ordentlich gekämmten Haar stieg herunter. Ich konnte nicht sicher sein, was sie getan hatte, aber sie bereitete mir Unbehagen. Sie mochte durchaus die Schlimmste der ganzen Ladung sein. Und viele andere, junge, alte, meistens alte. Zum größten Teil ruhig.
    Sie musterten mich, einige herausfordernd, die meisten verwirrt.
    »Ich muß wissen, ob sich jemand namens Sherill unter euch befindet«, sagte ich, »die vielleicht einen Typ namens Bill kennt.«
    »Das ist mein Name«, sagte eine Frau, die in der Menge verborgen war.
    »Laßt mich sie sehen.« Ich wedelte mit der Hand. Die schwarzen Kerle kamen vor. Ein komischer Ausdruck kam in ihre Augen, und sie traten beiseite. Die anderen teilten sich und eine junge Frau trat heraus. »Wie buchstabierst du deinen Namen?« fragte ich.
    Sie bekam einen panischen Ausdruck. Sie buchstabierte ihn, zaudernd, darauf hoffend, es zu schaffen. Ich fühlte mich bereits schrecklich. Sie war eine Cheryl.
    »Nicht diejenige, nach der ich Ausschau halte«, sagte ich.
    »Nicht so hastig«, sagte sie sanft. Sie versuchte nicht nachhaltig, verführerisch zu sein, aber sie hatte Erfolg. Sie war sehr hübsch, hatte mittelgroße Brüste, Hüften wie ein Teenager und keine großartigen, aber passable Beine. Ihr schwarzes Haar war kurz geschnitten und ihre Augen waren beinahe orientalisch. Ich schätzte, sie war Libanesin oder kam aus einem anderen Land im Mittleren Osten.
    Ich versuchte, sie nicht zu beachten. »Ihr könnt euch ein wenig die Beine vertreten«, sagte ich zu ihnen. »Ich lasse nun den ersten Anhänger raus.« Ich öffnete die Seitengatter des Hängers, und die Leute kletterten herunter. Sie rochen nicht, sahen nicht hungrig aus, sie sahen nur blaß aus. Ich fragte mich, ob die Qualen schon begonnen hatten, aber wenn dem so war, sagte ich mir, waren sie nicht körperlich.
    Eine Sache, die ich in meinen zwei Jahren gelernt hatte, war, daß all die Scheiße aus den Sonntagsschulen und den Horrorfilmen über die Hölle total falsch war.
    »Eine Frau namens Sherill«, wiederholte ich. Niemand trat vor. Dann spürte ich jemanden in meiner Nähe und drehte mich um. Es war diese Cheryl. Sie lächelte. »Ich würde gern für eine Weile vorne sitzen«, sagte sie.
    »Das würden wir alle gern, Schwester«, sagte die weißhaarige alte Frau. Die schwarzen Kerle standen allein abseits und redeten in leisem Tonfall miteinander.
    Ich schluckte, sah sie an. Andere Fahrer sagten, sie wären wirklich nicht körperlich – außer bei einer Aktivität. Das war die Vergünstigung. Und es wurde gesagt, die Heißesten landeten stets in der Hölle.
    »Nein«, sagte ich. Ich bedeutete ihnen, auf den Anhänger zurückzuklettern. Weswegen auch immer sie auf der Tiefstraße war, es würde sich nicht auf ihre Leistung im Bett auswirken, das war offensichtlich.
    Das Ganze war überhaupt eine dumme Idee gewesen. Sie stiegen ein, und ich wandte mich der Kabine zu, zündete eine Zigarette an, dachte darüber nach, was mich dazu veranlaßt hatte, es zu tun.
    Ich schüttelte den Kopf und startete den Schlepper. An eine Totenfuhre zu denken, war nicht gut. »Gottverdammt«, sagte ich, »nicht gut«, sagte ich.
    Cheryls Gesicht blieb mir vor Augen.
    Cheryls Körper war mir noch länger vor Augen als ihr Gesicht.
    Irgend etwas tauchte immer im Leben auf und lockte einen Menschen auf die Tiefstraße, nicht selbst zu fahren, sondern hinten mitzufahren. Wir alle haben unsere Schwächen. Ich fragte mich, welchen Grund Gott hatte, uns allen diesen kleinen Fehler zu geben, wie ein Sprung im Kristall, man drückt nur stark genug auf den Sprung und es zerbricht wie verrückt.
    Wenigstens wußte ich nun eines. Mein Fehler war nicht Sex, nicht diese Art. Was mich am meisten an Cheryl bewegte, war Erstaunen. Sie war so hübsch, wie kam es, daß sie auf der Tiefstraße endete?
    Was hatte eigentlich Bills Sherill getan?
    Ich kehrte mit leeren Hängern zurück und fand mich diesmal außerhalb einer kleinen

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