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Tangenten

Tangenten

Titel: Tangenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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diese Bemerkung in einem Buch. Sie verschwanden 1965. Sie wurden wegen etwas belangt. Sie sagten nicht, weswegen Sie belangt wurden.«
    »Ich bin homosexuell«, sagte Tuthy ruhig.
    »Oh. Na und?«
    »Lauren und ich trafen uns 1964 in England. Wir wurden gute Freunde. Sie wollten mich ins Gefängnis stecken, Pal. Sie schmuggelte mich durch Kanada in die Vereinigten Staaten.«
    »Aber Sie haben gesagt, Sie wären homosexuell. Die mögen doch keine Frauen.«
    »Das stimmt überhaupt nicht, Pal. Lauren und ich mögen uns sehr. Wir können miteinander reden. Sie erzählte mir von ihren Träumen, eine Schriftstellerin zu sein, und ich erzählte ihr über Mathematik und über den Krieg. Im Krieg wäre ich beinahe gestorben.«
    »Warum? Sind Sie verletzt worden?«
    »Nein. Ich habe zu hart gearbeitet. Ich habe mich ausgebrannt und hatte einen Nervenzusammenbruch. Mein Geliebter hat mich während der Vierziger am Leben gehalten. Nach dem Krieg standen die Dinge in England schlecht. Aber er starb 1963. Seine Eltern kamen, um die Verteilung des Nachlasses zu regeln. Und als ich vor Gericht um eine Regelung kämpfte, wurde ich in Haft genommen. Also nehme ich an, daß du recht hast, Pal. Ich gehöre eigentlich nicht hierher.«
    »Ich auch nicht. Meine Leute kümmert das nicht. Ich habe nur wenige Freunde. Ich bin nicht einmal hier geboren und weiß überhaupt nichts über Korea.«
    »Spiel«, sagte Tuthy mit ausdruckslosem Gesicht. »Mal sehen, ob sie zuhören.«
    »Oh, sie werden hören«, sagte Pal. »Es ist die Art, wie sie miteinander reden.«
    Der Junge ließ die Finger über die Tasten des Tronklaviers laufen. Der Kegel, durch den Minicomputer mit dem Keyboard verbunden, vibrierte blechern.
    Für eine Stunde blätterte Pal seine Komposition vor und zurück, wiederholte und versuchte Variationen. Tuthy saß mit dem Kinn in der Hand in einer Ecke und lauschte den Mäusequiekern und dem Quietschen, die der Kegel erzeugte. Wieviel schwerer mußte es sein, vierdimensionale Klänge zu interpretieren, dachte er. Nicht einmal visuelle Anhaltspunkte…
    Schließlich hörte der Junge auf und rang die Hände, dann streckte er die Arme aus. »Sie müssen es gehört haben. Wir müssen nur warten und sehen, was passiert.« Er schaltete das Tronklavier auf automatische Wiederholung und stieß den Stuhl vom Keyboard weg.
    Pal blieb bis zur Dämmerung, dann ging er zögerlich nach Hause. Tuthy saß bis Mitternacht im Büro und lauschte den blechernen Tönen, die aus den Lautsprecherkegel drangen.
    Die ganze Nacht hindurch spielte das Tronklavier seine vorprogrammierte Sammlung von Pals Kompositionen. Tuthy lag in seinem Zimmer im Bett, zwei Türen von Laurens Zimmer entfernt, und beobachtete einen Strahl Mondlicht, der an der Wand entlangglitt. Wie weit müßte ein vierdimensionales Wesen reisen, um hierher zu kommen?
    Wie weit bin ich gegangen, um hierher zu gelangen?
    Ohne zu realisieren, daß er schlief, träumte er, und in seinem Traum erschien ein flackerndes Bild von Pal, der mit beiden Armen gestikulierte, als ob er schwimme und große Augen machte. Ich bin in Ordnung, sagte der Junge ohne die Lippen zu bewegen. Sorg dich nicht um mich… Ich bin in Ordnung. Ich war zurück in Korea, um zu sehen, wie es ist. Es ist nicht schlecht, aber ich bin lieber hier…
    Tuthy erwachte schwitzend. Der Mond war untergegangen und das Zimmer war pechschwarz. Im Büro setzte der Hyperkegel seine entfernte, mausquiekende Sendung fort.
     
    Pal kam früh am Morgen wieder und pfiff, sich dauernd wiederholende Takte aus Mozarts Viertem Violinkonzert. Lauren ließ ihn ein, und er gesellte sich oben zu Tuthy. Tuthy saß vor dem Monitor und spielte Pals Skizzen der vierdimensionalen Wesen ab.
    »Siehst du irgendwas?« fragte er den Jungen.
    Pal nickte. »Sie sind näher gekommen. Sie sind interessiert. Vielleicht sollten wir Dinge vorbereiten, wissen Sie… vorbereitet sein.« Er blinzelte. »Haben Sie je darüber nachgedacht, wie wohl ein vierdimensionaler Fußabdruck aussieht?«
    Tuthy dachte einen Augenblick lang nach. »Das wäre höchst interessant«, sagte er. »Sie wären solide.«
    Lauren schrie im Erdgeschoß.
    Pal und Tuthy stolperten beinahe übereinander, um die Treppe hinunterzukommen. Lauren stand mit über der Brust verschränkten Armen im Wohnzimmer und preßte eine Hand auf den Mund. Das erste Eindringen hatte einen Teil des Wohnzimmerbodens und die Ostwand entfernt.
    »Wirklich schwerfällig«, sagte Pal. »Einer von ihnen muß

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