Tango der Leidenschaft
Dauer ihrer Ehe die Mäuler zu zerreißen. In den nächsten Tagen und Wochen würden sie und Rafael das Gesprächsthema an den Frühstückstischen der Hauptstadt sein.
Es war wirklich schlimm, dass sie so leidenschaftlich auf Rafaels Kuss reagiert hatte! Ihrer Meinung nach musste man doch in denjenigen verliebt sein, zu dem man sich körperlich hingezogen fühlte. Nie hätte sie geglaubt, dass es auch anders sein könnte.
Um sich über ihre Gefühle klar zu werden, musste sie auf jeden Fall erst einmal Abstand zu ihm halten.
Als sie aus der Kirche traten, empfing sie ein Blitzlichtgewitter. Die riesige Menge von Neugierigen brach in Hochrufe aus. Instinktiv klammerte Isobel sich an Rafael. Er sah sie an und verzog ein wenig das Gesicht. „Ich hätte es wissen müssen“, flüsterte er. „Lächle einfach. Alle sind nur gekommen, um dich zu sehen.“
Nach einigen Minuten führte er sie die Stufen hinunter zu einer wartenden Limousine und half ihr galant beim Einsteigen. Dann setzte er sich neben sie.
„Der Empfang findet in meinem Haus statt. Mein älterer Bruder konnte zwar nicht zur Trauung kommen, aber er hofft, rechtzeitig zum Empfang da zu sein.“
Kurz darauf fuhren sie durch den exklusiven Vorort Recoleta. Sie näherten sich einem beeindruckend großen Tor. Isobel gab sich alle Mühe nicht zu zeigen, was sie beim Anblick des Anwesens empfand. Das große, palastähnliche Gebäude ließ ihr eigenes Zuhause wie ein Pförtnerhäuschen aussehen.
Der Wagen fuhr auf einen kiesbedeckten Vorplatz, der von blühenden Bäumen umgeben war, die ihn gegen die Außenwelt abschirmten. Auf einer Seite des Anwesens parkte eine beeindruckende Anzahl von Oldtimern. Gegen ihren Willen erwachte Isobels Interesse. Schon immer hatte sie alte Automobile geliebt.
Wieder öffnete Rafael die Autotür und wartete mit ausgestreckter Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen.
Oben auf der Treppe stand die gesamte Dienerschaft in schwarz-weißer Livree zu ihrem Empfang bereit. Rafael stellte jeden Einzelnen Isobel vor. Später konnte sie sich nur an einen Wirrwarr von Gesichtern und Namen erinnern. Nach der Begrüßungsrunde stoben alle eilig auseinander. Nur eine Hausdame blieb zurück, um sie ins Haus zu führen. An ihren Namen konnte Isobel sich erinnern. Sie hieß Juanita und machte kein besonders freundliches Gesicht.
„Komm“, sagte Rafael. „Ich zeige dir, wo du dich frisch machen kannst. Hinter dem Haus ist ein Festzelt aufgebaut. Dort findet dann der Empfang statt.“
Isobel raffte ihr langes Kleid und folgte ihm die Treppe hinauf. Zu ihrem Erstaunen hingen keine düsteren Bilder von irgendwelchen Vorfahren an den Wänden, sondern moderne Gemälde.
„Ist das hier das Haus deiner Familie?“, fragte sie ein wenig atemlos.
Die Hände in den Hosentaschen wartete Rafael oben an der Treppe auf sie. Er schüttelte den Kopf. „Nein. Das Haus meiner Familie ist in Barrio Norte – nicht weit von hier. Dieses hier habe ich vor zehn Jahren gekauft.“
„Oh …“ Isobel ging die letzten Stufen hinauf und ließ sich von Rafael den breiten Korridor entlang führen. Er war mit einem dicken, luxuriösen Teppich ausgelegt. Am Ende des Ganges deutete Rafael auf zwei gegenüberliegende Türen und öffnete dann die linke. Sie führte in eine Reihe von Räumen. „Die beiden Suiten sind gleich. Beide haben ein Schlafzimmer, ein Badezimmer und einen Salon.“
Isobel nahm an, dass diese hier seine war. Sie war dunkel gehalten, und die Ausstattung verriet nur zu deutlich den männlichen Geschmack. Sie folgte ihm zur anderen Tür. Sie führte in einen Salon, der dem seinen aufs Haar glich, auch wenn er in weicheren, neutraleren Farben gehalten war.
Rafael drehte sich zu ihr um. „Ich gebe zu, es ging alles ein bisschen schnell, Isobel. Ich verstehe ja, dass du am Anfang unserer Ehe etwas Raum für dich brauchst und ein wenig Privatsphäre. Ich erwarte zwar, dass du das Bett mit mir teilst, aber du musst nicht mit mir in einer Wohnung leben. Erst, wenn du wirklich dazu bereit bist.“
Isobel traute ihren Ohren nicht. Aber Rafael ging bereits Richtung Schlafzimmer. Sie stolperte hinter ihm her.
Er stand an der offenen Tür zu einem Ankleidezimmer, das bis zur Decke mit Schuhen und Kleidern gefüllt war. Ihr eigenes bescheidenes Gepäck stand in einer Ecke. Wie es aussah, hatte man es nicht für wert gehalten, es auszupacken.
Isobel blieb der Mund offen stehen. Sie trat näher.
„Betrachte alles als deine Mitgift“, meinte Rafael
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