Tango der Leidenschaft
gewesen. Als sie nach der Spazierfahrt wieder nach Hause zurückgekehrt waren, hatte sie ein glückliches Lachen nicht unterdrücken können. Einen Augenblick lang glaubte sie, Rafael würde seine Zurückhaltung aufgeben. Stattdessen schien er sich völlig von ihr zurückzuziehen, als er ihr Lachen hörte, und der Nachmittag war verdorben gewesen. Seitdem hatte sie sich mit der Situation abgefunden. Ganz gleich wie leidenschaftlich ihre Liebesnächte auch sein mochten, Rafael würde nie etwas anderes als Begierde für sie empfinden.
In dem verzweifelten Bemühen, sich in die Frau zu verwandeln, die Rafael sich wünschte, nahm sie Einladungen zu endlosen Kaffeekränzchen an, ging auf der Avenida Alvear shoppen und gab sich Mühe, Konversation zu machen. Allerdings drehte die sich meistens nur um den neuesten Klatsch. Sogar einer Maniküre hatte sie sich unterzogen. Aber nicht lange. Dann überraschte Rafael sie dabei, wie sie heulend vor Wut die scheußlichen künstlichen Fingernägel mit Aceton bearbeitete.
„Ich kann das nicht, Rafael“, hatte sie geschluchzt. „Ich habe es wirklich versucht, aber ich werde nie eine Dame der feinen Gesellschaft.“
Ein zärtlicher Kuss war seine Antwort gewesen. „Ist schon in Ordnung. Ich will doch gar nicht, dass du so ein Partyweibchen wirst. Lass uns Juanita suchen. In ihrer bewegten Vergangenheit hat sie sicher auch gelernt, wie man künstliche Nägel wieder runterbekommt.“
In diesem Augenblick hatte sie ihn noch mehr geliebt. Aber danach war alles wie immer gewesen. Er war zu seiner kühl distanzierten Haltung zurückgekehrt.
Außer nachts … Da gab es keine kühle Distanz. Nur Augenblicke der Leidenschaft, denen allerdings der Kummer folgte. Dann nämlich, wenn sie sich an ihn schmiegte und an seine Liebe zu Ana denken musste. Er würde es wohl nie mehr wagen, sein Herz noch einmal zu verschenken.
Rafael wartete darauf, dass Isobel herunterkam. Den ganzen Tag lang hatte sie sich zusammen mit Juanita auf ihre Gäste vorbereitet. Sogar Juanita ist von ihr wie verzaubert, dachte er kopfschüttelnd, goss sich einen Whisky ein und trank ihn in einem Zug aus. Er brannte in seinem Hals, und Rafael verzog leicht das Gesicht. Seine Ehe machte Fortschritte. Alles ging nach Plan. Er hatte absolut keinen Grund, sich zu beklagen … Und doch stimmte etwas nicht. Isobel widersetzte sich ihm nicht mehr. Sie ging nicht mehr bei der kleinsten Ungerechtigkeit wie ein Tornado auf ihn los.
Die meiste Zeit verbrachte sie jetzt über den Plänen für ihr Tanzstudio. Sie hatte sich an einen inneren Ort zurückgezogen, an dem er sie nicht erreichen konnte.
Er fühlte sich wie zu Eis erstarrt. Nur wenn er ihren nackten, bebenden Körper in den Armen hielt, begann dieses Eis zu schmelzen. Kaum sah er sie in Gedanken vor sich, begann sein Körper zu reagieren. Frustriert und von einem vagen Schuldgefühl gequält, griff er nach der Karaffe und goss sich noch einen Drink ein.
Er musste wieder an jenen Tag vor ein paar Wochen denken, als er sich nach langer Zeit zum ersten Mal wieder leicht und frei gefühlt hatte. Damals hatte er Isobel ermuntert, doch einmal den Bugatti auszuprobieren. Nach Hause zurückgekehrt, wandte sie ihm ihr strahlendes Gesicht zu, und ihm wurde klar, dass er sie selten so glücklich gesehen hatte. Einmal nach dem aufregenden Ritt auf der estancia und dann noch ein anderes Mal, als sie die Schlüssel zum Studio erhielt, hatte sie ihn mit so einem Strahlen im Gesicht angesehen. Für Sekunden war sie wieder das Mädchen in Paris gewesen, das Mädchen ohne Verantwortung oder Verpflichtungen. Als dann die Freude von ihrem Gesicht verschwand, war ihm, als würde etwas Kaltes sein Herz berühren. Sie hatte sich wieder daran erinnert, dass sie in einer Zwangsehe gefangen war.
Ein Geräusch an der Tür ließ ihn herumfahren. Dort stand die Frau, die seine Gedanken beschäftigte. Sie trug ein weich fallendes, dunkelbraunes Seidenkleid. Es hatte genau die Farbe ihrer Augen. Goldene Kreolen lenkten den Blick auf ihren schlanken Hals, und goldene Riemchensandalen ließen ihre Beine noch verführerischer erscheinen. Endlich gehörte sie ihm. Aber eine spöttische innere Stimme flüsterte ihm zu, dass das nicht stimmte. Der Gedanke brachte ihn fast um.
„Du siehst fantastisch aus“, brachte er mühsam hervor. Doch ihm entgingen auch nicht die leichte Schatten unter ihren Augen.
Isobel fand, dass er im schwarzen Anzug mit weißem Hemd umwerfend gut aussah. Sofort begann ihr
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