Tango der Leidenschaft
und das einfache weiße T-Shirt an. Als Rafael dann rasiert, in schwarzer Hose und schwarzem Hemd, die Haare noch nass vom Duschen die Treppe herunterkam, schlug ihr das Herz bei seinem Anblick bis zum Hals.
Sie stand auf und folgte ihm hinaus zum Wagen. Sie war viel zu nervös, um etwas zu sagen, und auch er schien völlig in Gedanken versunken. Ein angespannter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, während er den Wagen durch den abendlichen Verkehr von Buenos Aires lenkte.
Zu Isobels Überraschung steuerte er einen kleinen Flughafen an, wo bereits eine Privatmaschine auf sie wartete. Völlig verdutzt ließ sie sich zu dem kleinen Flugzeug führen. Er stellte sie dem Piloten vor. Die Männer verständigten sich kurz, was Isobel auch nicht viel klüger machte, dann stieg sie mit ihnen in den Viersitzer.
Die Maschine hob ab und flog in den Abendhimmel. Als würde Sprechen alles noch schneller beenden, wagte Isobel keine Fragen zu stellen. Plötzlich hatte sie ein Déjà-vu und erinnerte sich daran, wie damals Paris unter ihr immer kleiner wurde. Es schien hunderte von Jahren zurückzuliegen.
Sie warf Rafael einen verstohlenen Blick zu, aber er sah hartnäckig aus dem Fenster.
Sie musste eingeschlafen sein. Die vorangegangenen schlaflosen Nächte hatten sie einnicken lassen. Sie fühlte, dass jemand sie sanft rüttelte. „Wach auf, Isobel. Wir landen gleich.“
Rafael . Sie öffnete die Augen.
Er war so dicht bei ihr, dass sie nur den Kopf nach vorne hätte beugen müssen, um ihn zu küssen. Aus Angst, sie könnte sich verraten und es wirklich tun, fuhr sie heftig zurück. Es entging ihr nicht, dass er rot wurde. Seine Augen funkelten böse.
Mit steinernem Gesicht ließ er sich wieder auf seinen Platz sinken, und beide schnallten sich an. Erst als das Flugzeug zur Landung ansetzte, erkannte Isobel, wo sie waren.
Sie schnappte nach Luft. „Wir sind auf der estancia !“ Für einen Moment setzte fast ihr Herzschlag aus. Vorwurfsvoll sah sie Rafael an. „Wieso hast du uns hierher gebracht?“
„Das wirst du bald sehen“, erwiderte er einsilbig.
Mit verschränkten Armen schaute sie aus dem Fenster, während die Maschine aufsetzte. Als sie gelandet waren und der Pilot ihr aus dem Fugzeug geholfen hatte, beobachtete sie entsetzt, wie er Anstalten traf, erneut zu starten und im Sonnenuntergang zu verschwinden.
Sie blickte sich um und sah, dass Rafael geduldig die Tür eines Jeeps für sie aufhielt. Unter diesen Umständen blieb ihr keine andere Wahl, als einzusteigen.
In einiger Entfernung konnte sie das Anwesen sehen. Doch als sie auf die lange Auffahrt fuhren, bog Rafael statt nach links in Richtung der estancia , nach rechts ab.
Isobels Nerven waren zum Zerreißen gespannt. „Wohin fahren wir?“
„Nicht weit.“ Er nahm eine scharfe Linkskurve. Zuerst schien er auf dichtes Gebüsch zuzusteuern, aber dann merkte Isobel, dass sie in Wirklichkeit einem kaum erkennbaren Weg folgten. Er fuhr ins Dunkel hinein, bis sie auf einer Lichtung wieder herauskamen, die nicht weit entfernt vom See hinter dem Haus lag.
Rafael hielt an und stellte den Motor ab. Die plötzliche Stille war betäubend. Er stieg aus und kam ums Auto herum an Isobels Seite. Schweigend nahm er ihre Hand und half ihr aus dem Wagen. Er schenkte ihr einen langen, eindringlichen Blick, dann führte er sie auf die Lichtung.
Vor sich sah sie Lichter. Beim Näherkommen erkannte sie, dass es ein wunderschön geschmückter Aussichtsturm war, fast ganz von Efeu und Blumen überwuchert. Die Brust wurde ihr eng, und sie legte die Hand auf ihr Herz. Das musste der Aussichtsturm sein, von dem in den Liebesbriefen ihrer Großeltern die Rede war. Hier hatten sie sich zum ersten Mal getroffen. Isobel hatte sich geschworen, ihn aufzusuchen, wenn sie wieder hierher zurückkommen würde. Aber dann hatte sie es vergessen. Bis jetzt.
Als sie näher kamen, konnte sie sehen, dass der Turm von tausenden kleinen und großen Laternen erstrahlte. Sie drehte sich zu Rafael um und zog ihre Hand aus der seinen. Zum ersten Mal seitdem sie ihn kannte, schien er nervös zu sein. „Rafael … warum sind wir hier?“
„Ich habe gesehen, was in dem Kästchen war, das deiner Großmutter gehörte“, sagte er endlich. „Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, aber ich habe die Briefe gelesen.“ Sein Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. Aber es erreichte nicht seine Augen. „Sie schienen dich tief zu berühren.“
„Ja“, sagte Isobel leise und erinnerte sich an
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