Tango der Liebe
abends zurück. Dann pflegten sie nach dem Abendessen bald ins Bett zu gehen, und die Leidenschaft brannte immer noch so lichterloh wie eh und je. Unter diesen Umständen fiel es ihr leicht, seiner Forderung nach Höflichkeit und Sex nachzukommen, und sie begriff, dass ihm weder Zeit noch Energie für tiefere Empfindungen blieb.
An diesem Abend war er ausnahmsweise früher nach Hause gekommen, weil sie von dem peruanischen Botschafter in den USA zu einer Vernissage peruanischer Künstler eingeladen waren.
Nach einem letzten kritischen Blick in den Spiegel ging Emily hinüber ins Wohnzimmer, trat an das große Fenster und sann darüber nach, was aus ihrem Leben geworden war.
„Die Halskette steht dir gut.“
Sie drehte sich zu Antonio um, der in dunklem Abendanzug und weißem Plisseehemd hereinkam. „Woher weißt du das?“
„Ich habe dein Spiegelbild in der Scheibe gesehen.“
Er wirkte unglaublich attraktiv, und das lag nicht nur an der eleganten Kleidung. Es war auch die Aura der Stärke, Macht und gezügelter Sinnlichkeit, die ihr den Atem verschlug. In kühlem Ton bemerkte sie: „Wir sollten sofort aufbrechen. Sonst kommen wir noch zu spät.“
Antonio nickte knapp, und kurz darauf gingen sie aus dem Haus und ließen sich zu der Vernissage chauffieren.
Inzwischen war Emily es gewohnt, dass er außerhalb des Schlafzimmers Distanz zu ihr wahrte. Er war eben in der Tat ein Einzelgänger und Workaholic. Je länger sie in New York blieben, desto bewusster wurde ihr, dass diese Attribute seinem wahren Wesen entsprachen. Er war nicht der einfallsreiche Verführer und humorvolle Begleiter von der griechischen Insel, sondern der nüchterne zielstrebige Manager aus der Metropole. Seine Arbeit war sein Leben. Alles andere war nebensächlich.
Dass Antonio wenig oder gar kein Gefühl zeigte, machte ihr das Leben in gewisser Weise leichter. Denn selbst seine Rachegelüste waren mit der Zeit immer mehr abgeklungen.
Warum unsere Ehe ruinieren, wenn die beiden Verursacher doch tot sind?
So lautete inzwischen seine Philosophie. Offensichtlich war der Tod seiner Mutter das einzige Ereignis, das ihm in irgendeiner Form zu Herzen gegangen war.
„Emily? Du bist ja in Gedanken ganz woanders. Stimmt etwas nicht?“, fragte er, als sie die Kunstgalerie betraten.
Sie lächelte ihn an. „Es ist alles bestens.“ Sie guckte sich in dem riesigen Saal um. Farbenfrohe Gemälde hingen an den Wänden und faszinierende Skulpturen standen auf Podesten. Die gesamte Elite New Yorks schien sich eingefunden zu haben. Kellner schlängelten sich mit Tabletts voller Champagner und Kanapees durch das Gedränge. „Es sieht nett aus.“
„Das klingt nach einer indirekten Kritik“, flüsterte Antonio ihr ins Ohr.
Dann wurde sie dem peruanischen Botschafter nebst Gattin und wunderschöner Tochter vorgestellt.
Besagte Tochter namens Lucita war klein und kurvenreich, und sie himmelte Antonio mit großen glutvollen Augen an.
Bitte nicht schon wieder eine Verflossene!, dachte Emily verdrießlich.
Lucita schlang ihm die Arme um den Nacken und schickte sich an, ihn auf den Mund zu küssen. Hastig wandte er das Gesicht ab, sodass sie nur seine Wange traf, nahm sie bei den Schultern und schob sie auf Armeslänge von sich.
Mit zuckersüßem Lächeln, aber gehässigem Blick wandte sie sich an Emily. „Sie sind also seine Ehefrau! Es hat uns sehr überrascht, von seiner Hochzeit zu erfahren. Kennen Sie sich schon lange?“
Wie aus der Pistole geschossen erklärte Antonio: „Lange genug, um zu wissen, dass sie die einzige Frau für mich ist.“
Die Botschafterfamilie äußerte Glückwünsche, aber Emily spürte deutlich eine gewisse Feindseligkeit.
Bald entschuldigte Antonio sich und zog Emily mit einem Arm um die Taille mit sich an das andere Ende des Saals.
„Was sollte das denn?“, fragte sie verwundert. „Ich dachte, der Botschafter wäre dein Freund.“
„Nicht wirklich. Ich habe zwar zahlreiche geschäftliche Bekannte, aber sehr wenige Freunde.“ Mit unverhohlener Genugtuung erklärte er: „Und was den Botschafter angeht, der muss sich als mein Freund präsentieren, wenn er nicht seinen Job verlieren will, und das ärgert ihn maßlos.“
„Bist du denn wirklich so einflussreich?“
„Ja.“ Er nahm zwei Gläser Champagner von dem Tablett eines Kellners und reichte ihr eines. „Außerdem habe ich diese Ausstellung und die Künstler gesponsert.“ Er deutete mit seinem Glas zu einem riesigen abstrakten Gemälde in Rot,
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